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Ist die Kommission für Zeitgeschichte bald Geschichte?

Der Institution für die Erforschung des politischen Katholizismus droht die Streichung der finanziellen Förderung durch die Diözesen. Ein offener Brief appelliert an die Bischöfe.
Karl Kardinal Lehmann und Karl-Josef Hummel
Foto: Imago Stock&people | Ein Bild aus glücklicheren Tagen: Der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, und der damalige Direktor der Kommission, Karl-Josef Hummel, stehen im Jahr 2008 einträchtig beieinander.

Sie ist gleich in doppelter Hinsicht eine Institution, die die Bedeutung der katholischen Laien hervorhebt. Die Kommission für Zeitgeschichte erforscht wie keine andere wissenschaftliche Einrichtung systematisch den politischen und sozialen Katholizismus – von seinen Anfängen im 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Sie ist in den sechs Jahrzehnten ihres Bestehens auf diese Weise auch so etwas wie eine Hüterin dieses geistigen Erbes geworden. Dabei stand sie freilich nie im Verdacht, eine Gefälligkeitsforschung zu betreiben, die hohen wissenschaftlichen Standards werden allseits anerkannt, ihr Renommee reicht weit über das katholische Milieu hinaus. Ein Beleg dafür sind nicht zuletzt die Drittmittel, die die Kommission für ihre Projekte einwirbt.

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Von ihrer Geschichte her ist die Kommission aber auch selbst ein Beispiel dafür, wie sich katholische Laien einbringen. In diesem Fall katholische Historiker. 1962, dem Gründungsjahr der Kommission, ging die Initiative von den Historikern Dieter Albrecht, Rudolf Morsey und Konrad Repgen zusammen mit anderen katholischen Persönlichkeiten wie etwa dem damaligen prominenten CDU-Politiker Heinrich Krone aus. Das Hauptanliegen war damals auch von katholischer Seite, einen Beitrag zur historischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu leisten. Vor allem die Erforschung des Kirchenkampfes stand im Mittelpunkt. Das Themenspektrum hat sich seither natürlich stetig erweitert. So setzt die Kommission etwa auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Missbrauchsproblematik Akzente.

Ein offener Brief an die deutschen Diözesanbischöfe sorgt für Aufregung

Umso mehr sorgt nun ein offener Brief an die deutschen Diözesanbischöfe für Aufregung, Verfasst haben ihn der Direktor der Kommission, Thomas Brechenmacher – er lehrt als Professor für Neuere Geschichte an der Universität Potsdam – , der Vorsitzende des Trägervereins, Hans Reckers, und der Geschäftsführer der Forschungsstelle, Frank Kleinehagenbrock, er lehrt als Privatdozent an der Universität Würzburg. Die entscheidenden Sätze, die an die Adresse der Bischöfe gerichtet sind: „Ende letzten Jahres erreichte uns die beunruhigende Nachricht, dass Sie ernsthaft erwägen, die finanzielle Förderung der Kommission für Zeitgeschichte gänzlich zu streichen. Ohne mit der Kommission zu sprechen, verfolgen die entscheidenden Gremien diesen Weg unbeirrt weiter. Sollte der Streichungsbeschluss endgültig gefasst werden, stellen Sie eine über 60-jährige aktive Mitwirkung der katholischen Kirche am zeitgeschichtlichen Diskurs an den Universitäten und in der Öffentlichkeit zur Disposition. Dies wäre ein fatales Signal des weiteren schrittweisen kirchlichen Rückzugs aus unserer Gesellschaft.“

Thomas Brechenmacher ist Direktor der Kommission für Zeitgeschichte
Foto: Karla Fritze | Thomas Brechenmacher ist Direktor der Kommission für Zeitgeschichte.

Die Forderung: „Wir appellieren deshalb nachdrücklich an Sie, diese für die bundesdeutsche Gesellschaft bedeutsame katholische Wissenschaftseinrichtung nicht einem reinen Sparzwang zu opfern. Gerade Einrichtungen wie die Kommission für Zeitgeschichte sind in einem zunehmend wissenschaftsskeptischen und für Fake-News anfälligen Umfeld unverzichtbar, um in den aktuellen und künftigen Auseinandersetzungen über die Zukunft von Religion und Kirche den notwendigen Beitrag zum historisch-kulturellen Verstehen zu leisten.“ 

Thomas Brechenmacher zeigt sich im Gespräch mit dieser Zeitung vor allem enttäuscht darüber, dass mit der Kommission bisher nicht das Gespräch gesucht worden sei. Dabei, so versichert er, sei man jederzeit zum Austausch bereit. Die Ähnlichkeiten zu einem vergleichbaren Fall springen ins Auge: Ende letzten Jahres wurde auch die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle in Mönchengladbach abgewickelt. Auch dies ebenfalls eine Institution mit einer langen Geschichte und eine Repräsentantin des Erbes des politischen und sozialen Katholizismus, die aber vor allem die Relevanz der katholischen Soziallehre für die Gegenwart aufgezeigt hat.

Papst Leo will die Soziallehre wieder in den Vordergrund stellen

Ausgerechnet jetzt hat Papst Leo XIV. nicht nur durch seine Namenswahl, sondern auch durch erste programmatische Äußerungen deutlich gemacht, wie wichtig es für ihn ist, die Soziallehre wieder in der Vordergrund zu stellen. Sollte nun die Kirche in Deutschland eine weitere Institution schließen, die hier wichtige Zuarbeit leisten kann? Es könnte als neues Beispiel dafür gelesen werden, wie man sich gegen weltkirchliche Trends stellt. Bisher konnte man den Eindruck haben, dass die Bischöfe auf die Arbeit der Kommission durchaus stolz sind. Aber diese Harmonie hat nun offenbar ein Ende.

Dabei handelt es sich bei der Kommission auch um ein verhältnismäßig kleines finanzielles Volumen. Zweieinhalb Stellen und die Miete für die Forschungsstelle gilt es zu finanzieren. Die Hochschullehrer, die in der Wissenschaftlichen Kommission als Netzwerk zusammengeschlossen sind, arbeiten alle ehrenamtlich. Die Projekte werden über Drittmittel finanziert. Parallel zum offenen Brief hat die Kommission über ihre Homepage nun auch die Möglichkeit gegeben, ihr Anliegen zu unterstützen und mitzuunterzeichnen. 

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