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Der Märtyrer der MAGA-Bewegung

Charlie Kirk war ein politisches Ausnahmetalent, ein leidenschaftlicher Streiter für die Meinungsfreiheit. Dass er ermordet wurde, legt das abgründige Ausmaß der politischen Polarisierung offen.
Trauer um Charlie Kirk
Foto: IMAGO/BRYAN TERRY/THE OKLAHOMAN (www.imago-images.de) | Blumen und Kerzen liegen zum Gedenken an den ermordeten Aktivisten Charlie Kirk an der University of Oklahoma in Norman, Oklahoma.

Es mag zwar zynisch klingen, doch irgendwie lag es in der Luft: Die USA, die sich in diesem Spätsommer des ersten Jahres der zweiten Trump-Präsidentschaft in einer fast unheimlichen Stimmung aus verbaler und militärischer Aufrüstung, verfestigter ideologischer Gräben, Straßenprotesten und latentem Gewaltpotenzial befinden, sind Zeuge eines politischen Mordes geworden. Des Mordes an dem erst 31-jährigen Podcaster und Trump-Aktivisten Charlie Kirk.

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Kirk war ein Ausnahmetalent. Kaum den Kinderschuhen entwachsen, war er schon auf der nationalen politischen Bühne aktiv. Insbesondere durch seine Jugend und sein Charisma vermochte er wie kaum ein Zweiter junge Menschen zu mobilisieren – zunächst für die fundamentale Opposition gegen die Obama-Präsidentschaft, später und bis zuletzt äußerst erfolgreich für die Politik des amtierenden Präsidenten Donald Trump. Seinen Glauben und die darin begründeten Positionen, wie die kompromisslose Ablehnung von Abtreibung, stellte der fromme evangelikale Christ dabei stets offen zur Schau. 

Ein Mann mit Prinzipien

Kirk mag sich mit seinen zugespitzten, teils polemischen Äußerungen in den letzten Jahren zwar ebenso viele Feinde wie Freunde gemacht haben. Doch er war niemand, der sich Diskussionen verschloss, im Gegenteil: Als beherzter Streiter für die Meinungsfreiheit liebte er die Debatte, den Meinungsaustausch und suchte das Gespräch auch mit Personen, deren Ansichten seinen eigenen diametral entgegenstanden.

Von Polterern und Scharfmachern in der Podcaster- und Aktivistenszene am rechten Rand hob er sich ab. Denn Kirk war ein Mann mit Prinzipien, dem seine Überzeugungen mehr bedeuteten als blinder Gehorsam. Das zeigte sich auch darin, dass der 1993 in Arlington Heights im Staat Illinois geborene Medienstar sich nicht scheute, in einzelnen Fällen auch Kritik an Donald Trump zu üben: Beispielsweise hielt er ihm mangelnden Willen zur Aufklärung in der Epstein-Affäre vor oder kritisierte den vom US-Präsidenten angeordneten Bombenangriff auf die iranischen Atomanlagen im Juni.

Auch wenn Trump übers Ziel hinausschießen mag, wenn er jetzt pauschal „die Linken“ für den Mord an Charlie Kirk verantwortlich macht, noch ehe der Täter, geschweige denn dessen Motiv, bekannt sind: Er hat Recht, wenn er die schreckliche Tat auch auf die politische Polarisierung im Land zurückführt, die inzwischen ein abgründiges Ausmaß erreicht hat. Der grausam-naive Gedanke des Attentäters mag ja in der Annahme bestehen, eine politische Bewegung bekämpfen, ja ausrotten zu können, indem man deren prominenteste Vertreter eliminiert. Alles daran ist falsch. Und wenn man etwas mit Sicherheit sagen kann, dann eins: Ein Attentat wie das auf Charlie Kirk schweißt die Trump-Bewegung nur noch enger zusammen.

Für die Demokraten wird es schwer

Für die Demokraten dürfte es immer schwerer werden, weiterhin ihr altbekanntes Lied von der Gefahr zu singen, die von Trump und seiner Politik für die US-Demokratie ausgehe, wo doch der Präsident und seine engen Verbündeten diejenigen sind, die – zumindest in Einzelfällen – für ihr Engagement mit dem Leben bezahlen. Zwar wurden in den vergangenen Jahren auch Demokraten Opfer von politischer Gewalt. Bei den Republikanern ist es aber die erste Riege – siehe Trump-Attentat, siehe Kirk-Attentat –, die zur Zielscheibe von Fanatikern geworden zu sein scheint.

Letztlich stellt sich auch die Frage, wie es sein kann, dass ein Schütze seinen tödlichen Plan ungehindert in die Tat umsetzen kann, nachdem in den USA beinahe täglich Attentate und Amokläufe vor Augen führen, wie prekär die Sicherheitslage im Land ist – man nehme das jüngste Attentat auf einen katholischen Schulgottesdienst als Beispiel. Insbesondere für derart prominente und polarisierende Persönlichkeiten wie Kirk müssen in Zukunft härtere Schutzmaßnahmen etabliert werden. Andernfalls ist zu befürchten, dass Charlie Kirk nicht der einzige Märtyrer der MAGA-Bewegung bleiben wird.

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