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Bischof von Odessa: "Die Angriffe haben uns geeint"

Russland begeht einen Völkermord in der Ukraine, schreibt Bischof Stanislaw Szyrokoradiuk in einem Gastbeitrag.
Odessa nach einem russischen Luftschlag vom 29. Dezember 2023.
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | Odessa nach einem russischen Luftschlag vom 29. Dezember 2023.

Von Beginn der groß angelegten Invasion an war es das oberste Ziel Russlands, Kiew, Charkiw und Odessa zu erobern. Kiew als Hauptstadt, Charkiw als wichtige Industriestadt und Odessa als wichtige Hafenstadt. Russland hat Odessa stets als russische Stadt bezeichnet, obwohl es schon immer eine multinationale Stadt war, wo 120 Nationalitäten leben. Davon machen die Russen 29, die Ukrainer 60 Prozent aus.

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In Odessa gab es eine starke Russifizierung, sogar die Schulen waren überwiegend russisch. Die russische Propaganda versuchte, alle davon zu überzeugen, dass die Einwohner Odessas der russischen Armee mit Blumen begegnen würden. Das Gegenteil war der Fall: Selbst ältere und behinderte Menschen bereiteten sich darauf vor, Odessa zu verteidigen. Auf allen Straßen entstanden Barrikaden, viele Flaschen mit Molotow-Cocktails wurden vorbereitet und jeder war bereit, die Stadt zu verteidigen.

Zerstörung alles Ukrainischen

In Odessa begann ein aktiver Kampf gegen russische Militärs, die als Saboteure geschickt worden waren, und gegen alle pro-russischen Kräfte. Alle russischen Symbole, Straßennamen und sogar russische Denkmäler wurden aus der Stadt entfernt. Die Menschen begannen, aktiv zur ukrainischen Sprache zu wechseln. All die Drohnen- und Raketenangriffe auf Odessa haben die Einwohner nur gestärkt und geeint. Das ist genau das, was der russische Aggressor nicht erwartet hatte und nicht akzeptieren will. Deshalb begann er, alles zu zerstören: Es ist ein Völkermord am ukrainischen Volk, die Zerstörung von allem Ukrainischen – von Schulen, Krankenhäusern, Universitäten, sogar Museen.

Nur weil Odessa etwas hat, womit es sich verteidigen kann, und glücklicherweise weit von Russland entfernt ist, hat es weniger gelitten als Charkiw, Mykolaiv oder Cherson. Trotz der häufigen Angriffe ist Odessa lebendig und gesund, mit Geschäftszentren, Seehäfen und Touristenzentren. Der ukrainische Patriotismus der Einwohner von Odessa nimmt weiter zu. Auch die Kirche spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Einigung der Menschen, wie die Osterfeiertage gezeigt haben. Die Menschen beten, glauben und hoffen.


Der Autor ist römisch-katholischer Bischof von Odessa.

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