Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Politik

Asia Bibi: Religionswissenschaftler wirft Regierung Mutlosigkeit vor

Die unrechtmäßig inhaftierte pakistanische Christin Asia Bibi komme nicht frei, weil die Regierung fürchtet, sich mit diesem Schritt selbst zu schaden, meint der Religionswissenschaftler Waheed Yousuf.
Fall Asia Bibi: Kritik an Regierung
Foto: Shahzaib Akber (EPA) | In Pakistan traue sich kaum jemand, etwas gegen radikale Islamisten zu sagen. „Warum? Weil deren Führer dann sofort behaupten: Du hast den Islam oder den Propheten beleidigt“, so Yousuf.

Waheed Yousuf, Experte für Minderheitenrechte, hat der pakistanischen Regierung im Fall der unrechtmäßig inhaftierten Christin Asia Bibi Mutlosigkeit vorgeworfen. „Die Frau kommt nicht Frau, weil die Regierung fürchtet, dieser Schritt werde der Regierung schaden“, meint der Religionswissenschaftler, der an der Qaid-I-Universität in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad lehrt, im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. In Pakistan sei es üblich, dass die Parteien mit den religiösen Gefühlen der Leute Politik machten.

Anführer des Protests verhängte Fatwa gegen die drei Richter

Nachdem das Oberste Gericht Pakistans das Todesurteil gegen die 47-jährige Katholikin Asia Bibi vergangenen Woche aufgehoben hatte, war es zu erheblichen Protesten radikaler Islamisten gekommen. Die Regierung beugte sich dem Druck und einigte sich mit der islamistischen Partei Tehreek-e-Labaik darauf, einen Berufungsprozess gegen Bibi zuzulassen.

In Pakistan, so Yousuf, traue sich kaum jemand, etwas gegen diese Gruppen zu sagen. „Warum? Weil deren Führer dann sofort behaupten: Du hast den Islam oder den Propheten beleidigt“, erklärt der Religionswissenschaftler. Zudem spricht er von einer „blinden Gefolgschaft“ für religiöse Führer. Diese führe dazu, dass einer der Anführer des Protests sogar eine Fatwa gegen die drei Richter ausgesprochen habe, die Asia Bibi freigesprochen hatten - „ein religiöses Verdikt, das einem Todesurteil gleichkommt“, so Yousuf.

Pakistan in sehr gefährlicher Lage

Das Land insgesamt sieht der Experte für Minderheitenrechte nach den jüngsten Entwicklungen in einer sehr gefährlichen Lage. In Pakistan wisse zwar jeder, dass man als Angehöriger einer Minderheit nicht frei sprechen dürfe. „Für Christen ist es eine besonders schreckliche Situation. Christen, besonders in den ärmeren Vierteln, haben jetzt Todesdrohungen bekommen, deswegen bleiben alle still und äußern sich nicht in den sozialen Medien“, so Yousuf.

Zudem berichtet der Religionswissenschaftler, dass die Sicherheitsvorkehrungen für Asia Bibi nochmals verschärft worden sein sollen. Bibi befinde sich weiterhin in Isolationshaft, in einer Zelle mit einer Größe 2,44 auf 3,05 Meter „Sie bereitet sich selbst das Essen zu, sie darf nichts aus der Gefängnisküche bekommen und auch keinen Kontakt zu anderen Häftlingen haben.“ So solle laut Gefängnisleitung verhindert werden, berichtet Yousuf, dass die pakistanische Christin vergiftet oder ermordet werde.

Keine schnelle Lösung im Fall Asia Bibi erwartet

Eine schnelle Lösung in dem Fall verspricht sich Yousuf nicht. „Ich glaube nicht, dass die Richter sich bald mit der Petition beschäftigen werden, die fordert, dass die Aufhebung des Todesurteils nochmal überprüft werden muss.“ Der Oberste Richter sei bereits mit Herzproblemen im Krankenhaus. Er wolle zwar keine Verbindung herstellen, so Yousuf, „aber die Leute werden sicher denken, dass ihm der immense Druck schwer zugesetzt hat“.

DT/mlu

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen. Kostenlos erhalten Sie die aktuelle Ausgabe

Themen & Autoren
Asia Bibi Islamisten Minderheitenrechte

Weitere Artikel

Kompromisslos und furchtlos setzte sich Bischof Franjo Komarica jahrzehntenlang für Menschenrechte ein.
14.12.2023, 19 Uhr
Stephan Baier
Verstärkte russische Offensiven, der Wintereinbruch und die wachsende Kriegsmüdigkeit der Europäer machen der Ukraine zu schaffen.
29.11.2023, 18 Uhr
Stephan Baier
Apple und Google entfernen App nach Vorwürfen, dass Chatbots Nutzer zu Mord und Suizid anregen.
11.10.2023, 11 Uhr
Meldung

Kirche