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Angriff auf den Embryonenschutz

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger gibt die Ethik an der Garderobe ab: Gut ist, was einmal nützen könnte.
Bettina Stark-Watzinger (FDP), Bundesministerin für Bildung und Forschung
Foto: IMAGO/Thomas Trutschel (www.imago-images.de) | Will mehr Forschung an menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen ermöglichen: Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) will mehr Forschung an menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen ermöglichen. Das berichtete vergangenes Wochenende die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (F.A.S) unter Berufung auf ein ihr "exklusiv" vorliegendes Diskussionspapier aus dem Bundesforschungsministerium.

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Weil andere Medien folgten, freilich ohne selbst in Besitz des Papiers zu sein, beherrschte die verheiratete Katholikin aus dem hessischen Bad Soden (Taunus) und Mutter zweier Töchter einen ganzen Tag lang beinah unangefochten die Schlagzeilen. Und da die "Produktion von Schlagzeilen" in der Politik immer noch als "harte Währung" gilt, mag sich das für die zuletzt massiv Gescholtene wie Balsam angefühlt haben. Dass Gleiches auch für die Seele der FDP-Politikerin gilt, darf indes bezweifelt werden, erst recht in einer katholischen Wochenzeitung. Am "Tag des Herrn" den Blätterwald und die Nachrichtenportale mit einer solchen Schlagzeile bestimmt zu haben, ist nichts, worauf ein Katholik stolz sein müsste.

Ministeriales Geschwurbel, nicht sonderlich erleuchtet

Aber es stimmt schon: In dem sechsseitigen, mit kleinen Lettern eng bedruckten Diskussionspapier, das den Titel "Offensive für Technologieoffenheit" trägt und das Stark-Watzinger an die führenden Forschungsinstitutionen im Land verschicken ließ, heißt es dazu: "Die Forschung mit frühen humanen Embryonen und mit humanen embryonalen Stammzellen" weise "international Erfolge" auf. Sie berge "große Chancen und Potenziale für die moderne Medizin". Welche "Erfolge", "Chancen und Potenziale", das sein könnten, verrät es nicht.

Und auch sonst kommt das ministeriale Geschwurbel nicht sonderlich erleuchtet daher: In Deutschland, heißt es dort, könne die entsprechende Forschung "im internationalen Vergleich aktuell nur einen geringen Beitrag leisten. Der Grund: das "Embryonenschutzgesetz (ESchG) und das Stammzellgesetz (StZG)" setzten ihr "zu enge Grenzen". Das gelte auch "bei den Möglichkeiten zu internationaler Kooperation". Und weiter: "Der inzwischen seit mehreren Jahrzehnten bestehende rechtliche Rahmen für die Forschung mit humanen Embryonen und mit humanen embryonalen Stammzellen in Deutschland bedarf deshalb dringend einer Überarbeitung. Denn angesichts der rasanten Fortschritte in der Zellbiologie und der medizinischen Forschung   auch im internationalen Vergleich   ist er nicht mehr zeitgemäß."

"Zeitgemäß" ist eigentlich die einzige Vokabel, die hier tief blicken lässt. Gebraucht wird sie dort wie ein Synonym für "gut" oder wenigstens "richtig". Dabei ist nicht nur das Gegenteil meist der Fall, wie   exemplarisch für vieles andere   aktuell die zunehmenden Klagen über das als äußerst "zeitgemäß" geltende soziale Netzwerk Tiktok leicht zu illustrieren vermögen. Vor allem gilt: Wenn es etwas gibt, dass alle wissenschaftlichen Durchbrüche und Innovationen eint, dann doch, dass sie niemals "zeitgemäß" waren, sondern ihre Zeit regelrecht auf den Kopf stellten.

Embryonenschutz zum Abschuss freigegeben

Wer sich weiter in das Papier vertieft, stellt schnell fest, dass der Ruf nach einer Schleifung von ESchG und StZG bei Licht betrachtet eigentlich bloß eine Nebenrolle spielt. Um mehr als einen kaum bemäntelten Aufruf an die Wissenschaftsfunktionäre, ihre Forderungen nach Abschaffung des ESchG und StZG zu erneuern und die ministerielle Zusicherung, bereit zu sein, diesen nun auch erhören, geht es dabei nicht. Die katholische Bundesforschungsministerin hat den Embryonenschutz, der hierzulande ohnehin schon länger so löchrig wie ein Schweizer Käse ist, zum Abschuss freigegeben.

Doch damit nicht genug: Ob es um "Fusionsenergie", "Künstliche Intelligenz", den Zugang zu "Gesundheitsdaten", "Neue Züchtungstechniken" oder "Synthetische Kraftstoffe" geht   erlaubt sein soll zukünftig, was womöglich einmal nützen könnte. "Technologiefolgenabschätzung", "Prinzip Verantwortung" (Hans Jonas)   überbewertet. Utilitaristischer und zugleich ängstlicher hat sich in diesem Ressort noch niemand präsentiert.

Themen & Autoren
Stefan Rehder Bettina Stark-Watzinger Embryonenschutzgesetz FDP Stammzellgesetz

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