Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung München

Sammlung Schack: Eldorado für Kunstfans

Kunstbegeisterte haben ihm viel zu verdanken: Adolf Friedrich Graf von Schack. Seine Sammlung kann in München besichtigt werden.
Adolf Friedrich von Schack
Foto: Hoesnbroech | Franz von Lenbach porträtierte seinen Gönner Adolf Friedrich von Schack (1875).

Wäre Franz Seraph Ritter von Lenbach (1835–1904) auch ohne die Förderung von Adolf Friedrich Graf von Schack zu jenem gefeierten „Münchner Malerfürst“ und international gefragten  Porträtisten geworden? Wäre Arnold Böcklin (1827–1901) auch ohne die Unterstützung von Graf Schack zu einem der bedeutendsten Künstler des 19. Jahrhunderts avanciert? Wäre Anselm Feuerbach (1829–1880) heute als einer der wichtigsten deutschen Maler in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bekannt? Wer die „Sammlung Schack“ in München besucht, wird im Verlaufe des Rundgangs durch die drei Etagen unweigerlich mit diesen ebenso hypothetischen wie naheliegenden Fragen konfrontiert. Böcklin, Feuerbach, von Lenbach und weitere Maler: Es ist vor allem dem Mäzenatentum des 1815 in Schwerin geborenen Adolf Friedrich Graf von Schack zu danken, dass diese Künstler zu dem wurden, als was sie heute berühmt sind, nämlich weltweit anerkannte und herausragende Maler des 19. Jahrhunderts.

Lesen Sie auch:

„Abgesehen davon, daß mich der Ruhm des Tages nie verblendet hat, schien es mir lohnender, junge Kräfte zu entdecken, oder auch solche zu beschäftigen, welche, der Gunst des großen Publikums entbehrend, brach lagen. Ich dachte, meine Galerie würde so einen eigentümlichen Charakter erhalten, während sie sonst nur Bilder von Malern aufgewiesen hätte, von denen man schon überall Werke sehen konnte.“ Mit diesen Worten an einer der Wände im Foyer des neoklassizistischen Gebäudes an der Prinzregentenstraße empfängt der Sammler, Dichter, Literatur- und Kunsthistoriker die Besucher in seiner „Galerie“. Daneben befinden sich, wie eine Legende neben dem Zugang ins Treppenhaus angebracht, Hinweise darüber, wo die wesentlichen Sammlungsschwerpunkte mit welchen Künstlern beheimatet sind. So gibt es beispielsweise im Erdgeschoss „Deutsche Sagen und Märchen: Moritz von Schwind“ oder den „Dichter und Sammler: Adolf Friedrich von Schack“ zu entdecken. Im ersten Obergeschoss begegnen die Besucher dann den „Kopien alter Meister: Venezianische Malerei von Giovanni Bellini bis Tiziano“ oder „Farbe und Gefühl: Arnold Böcklin“. Das zweite Obergeschoss schließlich führt zu „Landschaften und Sagen: Der Norden“ sowie nach Italien und Spanien unter dem Titel „Romantischer Süden“.

Primat der Poesie

In der Auswahl der Gemälde, in den Themen und Gattungen spiegeln sich die Interessen des mehrsprachigen und hochgebildeten Sammlers wider. Diese Interessen sah er in einem rein  idealistischen Kunstbegriff erfüllt, der alle Formen des Realismus ausschloss. Graf Schack wörtlich: „Poesie ist die Mutter aller Künste, und Maler wie Musiker dürften nur dann als echte Künstler gelten, wenn sie ebenso wie der Dichter von poetischem Geiste erfüllt sind.“ Insbesondere im Österreicher Moritz von Schwind (1804–1871) und dessen idealistischer Kunst fand der spätere Münchner Ehrenbürger einen Maler, der seinem eigenen Kunstverständnis entsprach.

Der schon zu Lebzeiten vielfach geehrte und mit höchsten Orden und Ehrenzeichen dekorierte Graf Schack förderte unterschätzte oder wenig bekannte deutsche Künstler durch Ankäufe oder Aufträge. Dazu gehörten beispielsweise die Anfertigung von Kopien herausragender Meisterwerke des 16. und 17. Jahrhunderts, die sich im größten Saal, dem „Kopiensaal“, befinden und dort eine schier überwältigende Wirkung entfalten. „Dass es ein Künstler überhaupt wagte, das zuvor immer nur in kleinem Massstabe nachgebildete Riesenwerk in gleicher Grösse zu kopieren, erregte Erstaunen in der Lagunenstadt“, beschreibt Schack die Arbeit des von ihm beauftragten August Wolf (1842–1915). Dieser kopierte in Venedig den rund dreieinhalb Meter hohen und knapp acht Meter breiten „Tempelgang Mariens“ von Tizian (1485/90 –1576). Wer sich vor Wolfs Kopie des Bildes „Thronende Madonna mit musizierendem Engel und Heiligen“ (1874) von Giovanni Bellini (1431/36–1516) setzt, wird förmlich in das Geschehen miteinbezogen und selbst zu einer Person am Sitz der Gottesmutter. „Tiefe, Adel und Ernst der Auffassung, höchstes Stilgefühl und die edelste Formgebung erheben dieses grandiose Werk auf eine der obersten Stufen im ganzen Gebiete der Kunst“, so Schack.

Ein Weimar des 19. Jahrhunderts

Aber auch die kleineren Räume und Kabinette mit Landschaftsbildern, Sujets aus antiken Mythen sowie Dichtung und Literatur entfalten eine herrlich entschleunigende, mitunter geradezu poetisch und emotional anrührende Atmosphäre. Beeindruckend sind auch die zu Werkgruppen zusammengestellten Bilder einzelner Künstler, die vielfach die Rahmung ihrer Werke selbst mitbestimmt haben. 1909 eröffnete auf Betreiben des deutschen Kaisers Wilhelm II. die Schack-Galerie, die seit ihrem 100. Geburtstag unter dem Namen „Sammlung Schack“ firmiert. Der aus einem niedersächsischen Adelsgeschlecht stammende Graf Schack war nach seinem Dienst als Jurist und Diplomat im mecklenburgischen Staatsdienst im Jahr 1856 dem Ruf des bayerischen Königs Maximilian II. (1811– 1864) in die Residenzstadt an der Isar gefolgt, um im Kreise von herausragenden Schriftstellern und Wissenschaftlern dazu beizutragen, München gemäß den Wünschen des kunstsinnigen Wittelsbachers zu einem „Weimar des 19. Jahrhunderts“ zu formen. In den folgenden Jahrzehnten baute Schack seine Sammlung auf, die mit rund 200 Werken und etwa 80 Kopien nach den Gemälden Alter Meister bis heute nahezu unverändert besteht. 1876 vermachte der weit gereiste Kosmopolit, der im selben Jahr in den Grafenstand erhoben worden war, seine seit 1865 öffentlich zugängliche Sammlung testamentarisch dem deutschen Kaiser. Wilhelm II. beließ die Sammlung nach Schacks Tod im Jahre 1894 indes in München und beauftragte den Bau des bis heute bestehenden Galeriegebäudes. Seit 1939 gehört die Sammlung Schack zu den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen.

Beim Rundgang durch die in satten Farben gehaltenen Säle korrespondieren vielfach Gedichte beziehungsweise Zitate aus Werken von Dante, Goethe oder Wieland mit den Bildern. Zudem ist der Hausherr selbst ein wunderbarer Erklärer. Denn in vielen der aussagekräftigen kurzen Erläuterungstexte zu den Exponaten lässt sich oftmals nachlesen, was Schack selbst über die Einordnung oder Beschreibung einzelner Werke in seinem 1881 erschienenen Buch „Meine Gemäldesammlung“ festgehalten hat. „Man glaubt, das Sausen und Wehen des Naturgeistes, das Jauchzen der Elementargeister im Kampfe der entfesselten Mächte des Meeres und der Lüfte zu vernehmen“, äußert er über Arnold Böcklins dramatisches Gemälde „Triton und Nereide“. Franz von Lenbachs „Hirtenknabe“ beschreibt er als einen Knaben, der „sich in göttlicher Faulheit dahinstreckt“, und die „Loreley“ von Edward Jakob von Steinle (1869) charakterisiert er als „ein Weib von dämonischer Schönheit“. Aufschlussreich auch die Einordnung der riesigen Kopie, die Franz von Lenbach 1868 vom berühmten Tizian-Gemälde „Kaiser Karl V. nach der Schlacht bei Mühlberg“ im Jahr 1548 gemalt hat: „Nie ist das ganze Leben eines Menschen, des Mächtigsten seiner Zeit, nie sein inneres Wesen in so überwältigender Kraft, mit so überzeugender Wahrheit in einer Figur hingestellt worden.“

Die Besucher mögen die Sammlung des Grafen Schack, der seine letzte Ruhe in der neugotischen Familiengruft auf dem Kirchhof bei Stralendorf nahe Schwerin fand, mit dem beglückenden Gefühl verlassen, in die Bilder- und Gedankenwelt des deutschen 19. Jahrhunderts eingetaucht zu sein. Glücklicherweise lässt sich dieses Gefühl anhand des lesenswerten Begleitbuchs „Sammlung Schack“ mitnehmen.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Constantin von Hoensbroech Ulrike von Hoensbroech Deutsche Malerinnen und Maler Kaiser Wilhelm II. Karl V. Mutter Jesu Maria Tizian Wilhelm II.

Weitere Artikel

Das neue David-Turm-Museum eröffnet Besuchern einen faszinierenden Einblick in 4000 Jahre jüdische Geschichte .
05.04.2024, 13 Uhr
Godel Rosenberg

Kirche