90 Tagessätze (auch) für Kritik an der Katholischen Kirche? Der fränkische Rentner Stefan Niehoff, der bereits im vergangenen Herbst wegen einer Anzeige Robert Habecks in die Schlagzeilen geraten war, und seither zu einer Art lebendem Symbol für das Recht auf unsachliche Kritik an Politikern geworden ist, ist erneut ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten. Vor wenigen Tagen ist ein Strafbefehl gegen den 64-Jährigen ergangen: 1350 Euro soll er nach Angaben seines Anwalts zahlen, weil er, wie es in einer Pressemitteilung der Bamberger Staatsanwaltschaft vom vergangenen Mittwoch heißt, „mittels der ,Retweet-Funktion’ oder durch Weiterleiten an andere Nutzer, in fünf Fällen Erkennungszeichen von ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen“ auf der Plattform „X“ verbreitet haben soll.
Zudem soll er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft „in einem Fall eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich verharmlost“, sich also der Volksverhetzung schuldig gemacht haben.
Einem Bericht der „Welt“ zufolge handelt es sich bei den insgesamt sechs Postings auch um solche, die der Rentner als Reaktion auf Aufrufe der katholischen Kirche, nicht AfD zu wählen, geteilt habe. Eines zeige katholische Geistliche beim Hitlergruß, ein anderes Adolf Hitler beim Handschlag mit Geistlichen. Ziel von Niehoffs Kritik wurden demzufolge aber auch die Moderatorin Sarah Bosetti und die bayerische Grünenpolitikerin Katharina Schulze.
Gegen den Strafbefehl will Niehoff offenbar Einspruch einlegen, weshalb es zu einer öffentlichen Verhandlung vor Gericht kommen dürfte. Das Verfahren wegen Politikerbeleidung (Paragraph 188 StGB), aufgrund dessen Niehoffs Haus im Herbst durchsucht worden war, ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft hingegen inzwischen eingestellt worden, „weil wegen der im beantragten Strafbefehl aufgeführten Tatvorwürfe die Verhängung einer erheblichen Gesamtstrafe zu erwarten ist, neben der eine weitere Bestrafung auch wegen der eingestellten Fälle nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würde“. Niehoff hatte damals ein Meme geteilt, auf dem Wirtschaftsminister Robert Habeck als „Schwachkopf“ bezeichnet worden war. (DT/jra)
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