Eigentlich ist der bekannte Kolumnist und Podcaster das, was man eine „Edelfeder“ nennt: witzige Aperçus, geistvolle Sottisen und, wenn‘s sein muss, gern auch mal saftige Polemiken. Doch jetzt soll alles anders sein. Im TV-Publikums-Käfig des verbalen „Alles-ist-erlaubt“-Freistil-Catchens trifft der inzwischen als „rechts“ etikettierte Mehrsparten-Journalist Jan Fleischhauer (63) auf großkalibrige Kontrahenten und Kontrahentinnen.
Gleich zu Anfang servierte das ZDF dem frisch angeheuerten Fleischhauer eine echte Herausforderung: die passenderweise provokant-offenherzig gewandete Porno-Rapperin Lady Bitch. Ihr erster Hit mit dem Titel „Fick mich“ katapultierte die heute 45-Jährige bereits 2006 an die Spitze der weiblichen Gangsta-Rap-Szene in Deutschland.
Zum schönen Schein schlüpft er in die Rolle des Wüterichs
Doch Gossen-Slang und harte Beats sind bei der wortgewaltigen Tochter eingewanderter, anatolischer Aleviten alles andere als authentisch. Vielmehr handelt es sich bei der scharfzüngigen Kunstfigur „Lady Bitch“ um ein popkulturelles Geschäftsmodell. Reyhan Sahin, so ihr bürgerlicher Name, ist eigentlich eine promovierte Linguistin aus Bremen. Mit Rassismus- und Genderthemen hat sie sich inzwischen sogar habilitiert.
Jan Fleischhauer wusste, worauf er sich einlässt. Die sonst immer vom Scheitel bis zur Sohle piekfein auftretende Stilikone des kommentierenden Politikbetriebs hatte diesmal passenderweise seine Krawatte abgelegt. Doch seine Manieren behielt er im Wesentlichen bei. Wie Lady Bitch ihre Rolle als Schlampen-Queen nur spielt, so schlüpft auch der aus großbürgerlicher, Osnabrücker Familie stammende Fleischhauer allenfalls zum schönen Schein in die Rolle des Wüterichs.
Als Lady Bitch ihm die Attitüde des nach „rechts abgedrifteten, alten, weißen Mannes aus der Boomer-Generation“ um die Ohren haut, gibt Fleischhauer sich allenfalls gütig-belustigt, um sofort in seine Lieblingsrolle zurückzufinden als Offizier und Gentleman: jederzeit volle Kontrolle. Die Rapperin steigt auf diese fein dargebotene, männlich-dominante Stil-Distinktion ein – und fällt aus ihrer zugewiesenen Rolle. Dem soeben noch wüst Gescholtenen schenkt sie formvollendet ein: Fünf-Uhr-Tee im Salon von Downton Abbey, Butterkekse inklusive.
Metamorphose zum konservativen Universalkolumnisten
Jan Fleischhauer, der nach 30 Jahren Spiegel-Journalismus die Metamorphose zum konservativen Universalkolumnisten tadellos gemeistert hat, tut sich schwer damit, auf Bestellung den Poltergeist zu mimen. Seine Analysen zu Migration und Integration klingen plausibel, die Argumente nachvollziehbar, die gespielten Ausbrüche dagegen nicht. Feingeist bleibt Feingeist.
Wirklich schlimm ist das jedoch nicht. Wenn jemand wie Fleischhauer sich in seiner journalistischen Haut wohlfühlt und als kultivierter Meister der poetischen Polemik kaum Konkurrenz neben sich weiß, dann sollte er vielleicht beim Bewährten bleiben. Für die Rolle des Gladiators in der Arena politisch-verbrämter, krawalliger Fernsehunterhaltung ist dieser Jan Fleischhauer eigentlich zu schade.
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