Die Zahl der Transgender-Charaktere im US-Fernsehen ist leicht gestiegen, gleichzeitig stehen viele entsprechende Serien vor dem Aus. Dies geht aus dem aktuellen Bericht „Where We Are on TV“ hervor, den die LGBTQ-Medienorganisation GLAAD („Gay & Lesbian Alliance Against Defamation“) jährlich veröffentlicht. Die Studie erfasst und bewertet die Präsenz von LGBTQ- und insbesondere auch Transgender-Figuren in Prime-Time-Produktionen – als Analyse und Orientierung für Sender und Streamingdienste.
Seit Jahren fordert die Organisation mehr „Sichtbarkeit“ und positive Darstellung queerer Figuren. Bereits 2019 hatte GLAAD das Ziel formuliert, dass bis 2025 mindestens 20 Prozent aller Fernsehcharaktere LGBTQ und die Hälfte davon People of Color sein sollten. Große Anbieter wie Netflix, Amazon Prime Video, Apple TV+ und Disney schlossen sich dieser Agenda an. Netflix gilt als führende Plattform in der Umsetzung dieser Vorgaben, Disney als besonders einflussreich aufgrund seiner Reichweite bei Kindern und Jugendlichen.
Bilanz fällt gemischt aus
Sechs Jahre später fällt die Bilanz gemischt aus. In der TV-Saison 2023/2024 erfasste GLAAD 24 Transgender-Charaktere, acht weniger als im Vorjahr. Der im November 2025 veröffentlichte Bericht weist über alle Plattformen 489 LGBTQ-Figuren aus, darunter 33 Transgender (6,7 Prozent). Nur vier dieser Figuren gehören zu Serien, die eine neue Staffel erhalten. Die Mehrheit der Formate wird eingestellt. GLAAD sieht darin ein Warnsignal für die Repräsentation queerer Themen. Auf klassischen US-Sendern liegt der Anteil der LGBTQ-Hauptrollen mit 9,3 Prozent weiterhin deutlich unter dem angestrebten Ziel.
Netflix verweist laut GLAAD darauf, dass „inklusive Erzählungen“ gesellschaftliche Realität widerspiegelten. Kritiker hingegen sprechen von einer ideologischen Aufladung der Inhalte, so etwa die konservative „Christian Post“, die mit der christlichen Interessenvertretung „Concerned Women for America“ (CWA) darüber sprach.
CWA warnt vor einer „allgegenwärtigen“ Präsenz von LGBT-Themen in Netflix-Serien und ruft Eltern zur Vorsicht auf: In einem neuen Bericht hebt CWA die Förderung von LGBT-Themen und -Handlungssträngen in 326 Netflix-Serien hervor. „Unser neuer Bericht zeigt, dass Kinderprogramme nicht von Identitätspolitik ausgenommen sind – eine drastische Abkehr von ihrer historischen Rolle. Wir wussten, dass Netflix solche Programme ausstrahlt, aber unsere Studie quantifiziert, wie viele Kinderprogramme durch LGBTQ-Botschaften und -Themen unterwandert sind“, sagte CWA-Präsidentin Penny Nance. „Das sind schockierende Zahlen, und die meisten Eltern sind sich dessen nicht bewusst.“
Polarisierung spiegelt sich in der öffentlichen Debatte wider
Auch der Rechtswissenschaftler Jonathan Turley von der George Washington University kritisierte gegenüber der „Christian Post“, Disney-Produktionen würden von vielen Konservativen als „Versuch wahrgenommen, Kinder ideologisch zu beeinflussen.“
GLAAD weist solche Vorwürfe zurück. Inklusive Inhalte seien keine politische Agenda, sondern Ausdruck sozialer Realität – und wirtschaftlich erfolgreich. Untersuchungen zeigten, so die Lobby-Gruppe, dass vor allem jüngere Zuschauende verstärkt Programme mit LGBTQ-Figuren wählten, da sich ein wachsender Teil dieser Generation als queer identifiziere.
Die Polarisierung spiegelt sich auch in der öffentlichen Debatte wider. Elon Musk rief im Oktober 2025 über seine Plattform X zu einem Boykott von Netflix wegen einer angeblich „woken“ Ausrichtung des Streamingdienstes auf. Seine Kampagne unter dem Schlagwort Kinderschutz verdeutlicht, dass Serienfiguren zunehmend Teil gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen geworden sind.
GLAAD hat die US-Unterhaltungsbranche spürbar beeinflusst, das Ziel von 2019 jedoch nicht erreicht. Die Diskussion um Repräsentation und kulturelle Deutungshoheit dürfte die Branche weiterhin begleiten – zumal GLAAD betont, Fernsehbilder prägten gesellschaftliche Wahrnehmung und Einstellungen nachhaltig.
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