Die historisch-informierten, zumeist romtreuen Tagespost-Leser dürfen sich trotz der Niederlage der deutschen Mannschaft im Spiel gegen Spanien als die großen Gewinner der Viertelfinalbegegnungen vom Wochenende fühlen. Alles nur Heimspiele: das Römische Weltreich spielt praktisch gegen sich selbst. Cerevisia (Bier) und Vinum (Wein) darf unter 2.000 Jahre alten Verwandten zu Recht und weiterhin in Strömen fließen.
Von Portugal, damals Lusitania, über Hispanien bis zu den Niederlanden, wo die Römer sich am Rhein in Njimwegen niederließen. Von Deutschland, dem alten Germanien, bis nach Byzanz in der heutigen Türkei. Vor allem auch Frankreich-Gallien und die Schweiz, wo man noch heute die Via Romana entlangradeln kann, gehören dazu. Sogar bis nach Britannia sind die Römer bekanntlich gesegelt.
Wieviel Migrationsraum wollen wir dem Wolf noch geben?
In diesem Zusammenhang sollten wir aus geschichtlicher Perspektive unbedingt einen Blick auf den kürzlich noch vom Aussterben bedrohten Vorfahren von Dackel, Spitz und Schäferhund werfen. War vor wenigen Jahren der Wolf (lupus) nur noch ein Wesen aus Märchenbüchern und Legenden, so eroberte sich das Raubtier in Rudeln nach und nach sein Land zurück. Das Schweigen der toten Lämmer spaltet seitdem die Gesellschaft in Wolfs-Jäger und Sammler: Wieviel Migrationsraum wollen wir dem Wolf eigentlich noch geben?
Als jetzt ein Wolf sogar bis auf den Rasen eines EM-Fußballstadions vorgedrungen ist, herrscht endgültig Alarmstimmung. Das nationalistische Wolfszeichen des türkischen Verteidigers Demiral sorgte für diplomatische Verwicklungen und rief den Fußballverband der UEFA auf den Plan: zwei Spiele Sperre. Der Sportplatz wurde kalkuliert zur politischen Bühne umfunktioniert.
Demiral ist ein Wiederholungstäter, bereits 2019 salutierte er mit militärischem Grüß in Spielen gegen Albanien und Frankreich, aus Solidarität mit einer türkischen Militäraktion in Syrien. Dabei ist Wölfin Asena als Ursprung des Wolfsgrußes eigentlich unverdächtig. Sie ist Teil der Ursprungslegende der Turkvölker, von ihrem ersten Erscheinen im Frühmittelalter an ein Erdogan- und AKP-freier Mythos, der jetzt missbraucht wird.
Die Lupa Capitolina als offizielles Emblem der UEFA
Womit wir wieder bei den romkundigen Tagespost-Lesern angelangt wären. Die erinnern sich nämlich sofort an die kapitolinische Wölfin, die an ihren Zitzen die Zwillinge Romulus und Remus nährte. Ersterer wurde laut des Geschichtsschreibers Livius Gründervater der Ewigen Stadt in vorchristlicher Zeit: 753 – Rom kroch aus dem Ei.
Mit Blick auf ihre längere Vorgeschichte besäße die römische Wölfin eigentlich eine Art historisches Markenrecht. Die Lupa Capitolina als offizielles Emblem der UEFA wäre ein Friedensangebot mit Vergangenheit und Zukunft. Jedes Wolfszeichen: ein Plädoyer für Europa und seine römischen Wurzeln.
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