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Bücherverbrennungen in Kanada: Wer trägt die Verantwortung?

Die von einer katholischen Schulbehörde in Ontario veranstalteten Bücherverbrennungen haben in kanadischen und in französischen Medien ein empörtes Echo ausgelöst. Doch nun fühle sich keiner dafür verantwortlich, beklagt die Zeitschrift „Causeur“.
Debatte nach Bücherverbrennungen in Kanada
Foto: Sebastian Willnow (dpa-Zentralbild) | Wie „Radio Canada“ berichtet, hat eine Schulbehörde in Windsor im kanadischen Ontario bereits im Jahr 2019 knapp 5.000 Bücher und Lexika mit vermeintlich rassistischem Gedankengut verbrennen oder recyceln lassen.

Nachdem jüngst bekannt wurde, dass eine Schulbehörde in Windsor im kanadischen Ontario 2019 Bücher und Lexika mit vermeintlich rassistischem Gedankengut verbrennen oder recyceln ließ, um sich mit der kanadischen Urbevölkerung auszusöhnen, wird diskutiert, wer die Verantwortung für die Aktion trägt.

Die Aufregung sei verständlich, meint die französische Zeitschrift „Causeur“. Denn die Vernichtung von 5.000 Jugendbüchern „aus pädagogischen Gründen“ ließe an die Autodafés der Inquisition oder der Nationalsozialisten denken. Das kanadische Autodafé ging von der katholischen Schulbehörde „Conseil scolaire catholique Providence“ aus, die für 30 französischsprachige Schulen im Südwesten der kanadischen Provinz Ontario verantwortlich ist.

Die Asche als Dünger für die Bäume

Der Causeur verweist auf ein Interview von der damaligen Beraterin der Schulbehörde, Suzy Kies, das diese dem Informationsmedium „Nzwamba“ gab. Kies sagte: „Insgesamt schien es, dass annähernd 30.000 Bücher vom Conseil scolaire Providence als schädlich für die autochthonen Jugendlichen identifiziert wurden. Man hat versucht, eine Weise zu finden, um dieses Negative in etwas Positives umzuwandeln. Man dachte an diese Idee, die Bücher zu verbrennen, um die Asche als Dünger für die Bäume zu verwenden, die auf den Schulhöfen gepflanzt werden sollten“. 

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Indem man die Bücher verbrenne, so Kies weiter, „reduziert man sie auf die nährstoffreichen Bestandteile“. Man nehme also den Baum, der für die Herstellung des Buches benutzt wurde, „gibt ihn der Mutter Erde zurück, und schenkt sodann einem anderen Baum das Leben“. Dies solle dann – so die Auffassung von Suzy Kies – „eine Läuterung der negativen Intentionen durch die Flamme sein, da man sie durch diesen Prozess in positive Intentionen verwandelt“.

Eine Mail-Anfrage des Causeur mit der Bitte um ein telefonisches Gespräch habe Suzy Kies, die sich selbst als autochthone „Hüterin des Wissens“ und Expertin für die Ureinwohner Kanadas bezeichnet, negativ beschieden. Stattdessen schrieb sie dem Magazin zurück: „Es war nicht meine Entscheidung [die Bücher zu verbrennen]. Tatsächlich hat der Conseil Providence im Juni 2019 30 Bücher verbrannt“. 

Keiner stellt sich der Empörung

Daraufhin habe sich der Causeur direkt an die katholische Schulbehörde gewandt und um Aufklärung darüber gebeten, wer für die Bücherverbrennungen verantwortlich sei. Anstelle einer Antwort erhielt das Magazin von der Pressesprecherin eine vorgefertigte Stellungnahme, die an alle Medien versandt wurde. Darin heißt es: „Guten Tag, wir haben heute Morgen durch einen Artikel von Radio Canada erfahren, dass es Zweifel an der Abstammung von Suzy Kies, der Hüterin des Wissens, gibt, die an dem Bibliotheks-Projekt ‚Redonnons à Mère Terre‘ [‚Übergeben wir der Mutter Erde‘] arbeitete. Wir sind über ihre Behauptungen zutiefst beunruhigt und besorgt. Der Conseil scolaire Providence glaubte fest an die Behauptungen von Suzy Kies, als sie von sich selbst sagte, sie gehöre als Ureinwohnerin der Confédération des Wbanakis und dem Clan der Schildkröte an. Wir waren uns ganz sicher, dass Suzy Kies autochthoner Abstammung sei“. Die katholische Schulbehörde, so heißt es in der Stellungnahme weiter, glaubte, „dass ihre Erfahrung uns bei unseren Initiativen zur Aussöhnung anleiten könnte“. Man bedauere, über dieses Thema nicht genauer recherchiert zu haben. In diesem Sinne wolle der Conseil scolaire sein Vorgehen überdenken und das gesamte Projekt „Redonnons à Mère Terre“ erst einmal pausieren. 

Diese Antwort gehe, so der Causeur, jedoch am eigentlichen Thema – der Bücherverbrennung – vorbei: „Wir konstatieren zudem, dass keine der beiden Schwestern der Feuersglut bereit ist, sich der - von den Enthüllungen von Radio Canada – ausgelösten Empörung zu stellen, da jede von ihnen die Verantwortung für das Autodafé auf die andere schiebt. In Erwartung einer großen ‚Initiative zur Aussöhnung‘ hoffen wir, dass sie nunmehr die Güte haben, sich ein bisschen um die historische Wahrheit Gedanken zu machen. Angesichts ihrer Antworten scheinen sie aber eher Interesse am Geschichtsrevisionismus zu haben. Wenn dies nicht der Fall ist, ist es noch nicht zu spät, sich der Debatte zu stellen“.  DT/ks

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