Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Brief an das Volk Gottes

Die geweihten Amtsträger stärker einbeziehen

Im Wortlaut der Brief der 16. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode an das Volk Gottes.
Papst Franziskus bei der Generalaudienz
Foto: IMAGO/Evandro Inetti (www.imago-images.de) | "Die Kirche muss auch auf die Laien, Frauen und Männer, hören, die alle aufgrund ihrer Berufung durch die Taufe zur Heiligkeit berufen sind", heißt es im Brief an das Volk Gottes.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, 
 
am Ende der ersten Sitzung der 16. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode möchten wir mit Ihnen allen Gott für die gute und reiche Erfahrung danken, die wir gerade gemacht haben. Wir haben diese gesegnete Zeit in tiefer Verbundenheit mit Ihnen allen erlebt. Wir wurden von Ihren Gebeten getragen, haben Ihre Erwartungen, Ihre Fragen und auch Ihre Ängste mit uns getragen. Zwei Jahre sind bereits vergangen, seit auf Bitten von Papst Franziskus ein langer Prozess des Zuhörens und der Unterscheidung begann, der für das ganze Volk Gottes offen war und niemanden ausschloss, um unter der Führung des Heiligen Geistes als missionarische Jünger in der Nachfolge Jesu Christi „gemeinsam zu gehen“. 
 

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Die Versammlung, die uns am 30. September in Rom zusammenführte, war eine wichtige Etappe in diesem Prozess. In vielerlei Hinsicht war es eine noch nie dagewesene Erfahrung. Zum ersten Mal waren auf Einladung von Papst Franziskus Männer und Frauen aufgrund ihrer Taufe eingeladen, an einem Tisch zu sitzen und nicht nur an den Diskussionen, sondern auch an den Abstimmungen dieser Bischofssynode teilzunehmen. Gemeinsam, in der wechselseitigen Entsprechung unserer Berufungen, Charismen und Ämter, haben wir intensiv auf das Wort Gottes und die Erfahrungen der anderen gehört. Mit der Methode des Gesprächs im Geist teilten wir demütig den Reichtum und die Armut unserer Gemeinschaften auf allen Kontinenten und versuchten zu erkennen, was der Heilige Geist der Kirche heute sagen will. So erfuhren wir auch, wie wichtig die Förderung des gegenseitigen Austauschs zwischen der lateinischen Tradition und den Traditionen des christlichen Ostens ist. Die Teilnahme von brüderlichen Delegierten aus anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften hat unsere Diskussionen sehr bereichert. 

Beten für die Opfer mörderischer Gewalt

Unsere Versammlung fand vor dem Hintergrund einer krisengeschüttelten Welt statt, deren Wunden und skandalöse Ungleichheiten in unseren Herzen schmerzlich nachklangen und unseren Beratungen eine besondere Schwere verliehen, umso mehr, als einige von uns aus Ländern kamen, in denen Krieg wütet. Wir beteten für die Opfer mörderischer Gewalt und vergaßen dabei nicht jene, die durch Elend und Korruption auf die gefährlichen Pfade der Migration getrieben wurden. Wir haben unsere Solidarität und unser Engagement den Frauen und Männern versprochen, die sich überall als Baumeister für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen. 
 

Download: Brief an das Volk Gottes

Auf Einladung des Heiligen Vaters haben wir der Stille einen wichtigen Raum gegeben, um unter uns das respektvolle Zuhören und den Wunsch nach Gemeinschaft im Geist zu fördern. Während der ökumenischen Eröffnungsvigil haben wir erlebt, wie der Durst nach Einheit in der stillen Betrachtung des gekreuzigten Christus wächst. Das Kreuz ist die einzige Cathedra dessen, der sein Leben für das Heil der Welt hingegeben und seine Jünger dem Vater anvertraut hat, damit „alle eins seien“ (Joh 17,21). Fest verbunden in der Hoffnung, die uns seine Auferstehung schenkt, haben wir ihm unser gemeinsames Haus anvertraut, in dem der Schrei der Erde und der Schrei der Armen immer drängender ertönen: „Laudate Deum“ – woran uns Papst Franziskus gleich zu Beginn unserer Arbeit erinnerte.  

Aufruf zur pastoralen und missionarischen Umkehr

Tag für Tag hörten wir den dringenden Aufruf zur pastoralen und missionarischen Umkehr. Denn die Berufung der Kirche besteht darin, das Evangelium zu verkünden, indem sie sich nicht auf sich selbst konzentriert, sondern sich in den Dienst der unendlichen Liebe stellt, mit der Gott die Welt liebt (vgl. Joh 3,16). Auf die Frage, was sie von der Kirche anlässlich dieser Synode erwarten, antworteten einige Obdachlose, die in der Nähe des Petersplatzes leben: „Liebe!“ Diese Liebe muss immer das brennende Herz der Kirche bleiben, die trinitarische und eucharistische Liebe, wie der Papst am 15. Oktober, in der Mitte unserer Versammlung, in seiner Botschaft der heiligen Therese vom Kinde Jesu erinnerte. Es ist das „Vertrauen“, das uns die Kühnheit und die innere Freiheit gibt, die wir erfahren haben, ohne zu zögern, unsere Konvergenzen und unsere Unterschiede, unsere Wünsche und unsere Fragen frei und demütig zu äußern. 
 
Und jetzt? Wir hoffen, dass die Monate bis zur zweiten Session im Oktober 2024 es allen ermöglichen werden, konkret an der Dynamik der missionarischen Gemeinschaft teilzuhaben, auf die das Wort „Synode“ hinweist. Dies ist keine Ideologie, sondern eine in der apostolischen Tradition verwurzelte Erfahrung. Wie der Papst zu Beginn dieses Prozesses sagte: „Gemeinschaft und Mission laufen Gefahr, etwas abstrakte Begriffe zu bleiben, wenn wir nicht eine kirchliche Praxis pflegen, die die Konkretheit der Synodalität zum Ausdruck bringt (...) und die wirkliche Beteiligung aller fördert“ (9. Oktober 2021). Die Herausforderungen sind vielfältig und die Fragen zahlreich: Der zusammenfassende Bericht der ersten Session wird die erzielten Übereinstimmungen verdeutlichen, die offenen Fragen hervorheben und aufzeigen, wie die Arbeit fortgesetzt werden kann. 

Die Kirche muss allen zuhören

Um in ihrer Unterscheidung voranzukommen, muss die Kirche unbedingt allen zuhören, angefangen bei den Ärmsten. Dies erfordert von ihr einen Weg der Umkehr, der auch ein Weg des Lobes ist: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies den Gelehrten und Weisen verborgen und den Unmündigen offenbart hast“ (Lk 10,21)! Es geht darum, denen zuzuhören, die in der Gesellschaft kein Recht haben, sich zu äußern, oder die sich ausgeschlossen fühlen, sogar von der Kirche. Es geht darum, den Menschen zuzuhören, die Opfer von Rassismus in all seinen Formen sind, insbesondere in einigen Regionen der indigenen Völker, deren Kulturen verhöhnt werden. Vor allem hat die Kirche unserer Zeit die Pflicht, im Geiste der Umkehr denjenigen zuzuhören, die von Mitgliedern der Kirche missbraucht wurden, und sich konkret und strukturell dafür einzusetzen, dass sich so etwas nicht wiederholt. 
 

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Die Kirche muss auch auf die Laien, Frauen und Männer, hören, die alle aufgrund ihrer Berufung durch die Taufe zur Heiligkeit berufen sind: das Zeugnis der Katecheten, die in vielen Situationen die ersten sind, die das Evangelium verkünden; die Einfachheit und Lebendigkeit der Kinder, die Begeisterung der Jugendlichen, ihre Fragen und ihre Rufe; die Träume der älteren Menschen, ihre Weisheit und ihr Gedächtnis. Die Kirche muss auf die Familien hören, auf ihre erzieherischen Anliegen, auf das christliche Zeugnis, das sie in der Welt von heute geben. Sie muss die Stimmen derer willkommen heißen, die sich in Laiendiensten oder in gemeinschaftlichen Gremien der Unterscheidung und Entscheidungsfindung engagieren wollen. 

Worte und Erfahrungen der geweihten Amtsträger noch stärker einbeziehen

Um bei den synodalen Beratungen voranzukommen, muss die Kirche vor allem die Worte und Erfahrungen der geweihten Amtsträger noch stärker einbeziehen: die Priester, die ersten Mitarbeiter der Bischöfe, deren sakramentaler Dienst für das Leben des ganzen Leibes unverzichtbar ist; die Diakone, die durch ihren Dienst die Fürsorge der ganzen Kirche für die Schwächsten zum Ausdruck bringen. Sie muss sich auch von der prophetischen Stimme des gottgeweihten Lebens herausfordern lassen, das ein wachsamer Wächter des Rufes des Geistes ist. Und sie muss auch auf diejenigen achten, die ihren Glauben nicht teilen, aber die Wahrheit suchen und in denen der Geist gegenwärtig und wirksam ist, der „allen die Möglichkeit gibt, auf die von Gott gewollte Weise mit dem Ostergeheimnis verbunden zu sein“ (Gaudium et spes 22). 
 

„Die Welt, in der wir leben und die zu lieben und ihr zu dienen wir aufgerufen sind, auch in ihren Widersprüchen, verlangt von der Kirche die Stärkung der Synergien in allen Bereichen ihrer Sendung. Es ist genau der Weg der Synodalität, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“ (Papst Franziskus, 17. Oktober 2015). Wir dürfen keine Angst haben, auf diesen Ruf zu antworten. Die Jungfrau Maria, die Erste auf dem Weg, begleitet uns auf unserer Pilgerreise. In Freud und Leid zeigt sie uns ihren Sohn und lädt uns ein, ihm zu vertrauen. Er, Jesus, ist unsere einzige Hoffnung! 
 
Vatikanstadt, 25. Oktober 2023 
 

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