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Kardinal Aveline: Beziehungsmensch und Meister des Dialogs

Der französische Kardinal Jean-Marc Aveline gilt als franziskusnah und eher „liberal“. So leicht lässt er sich jedoch nicht in Schubladen einsortieren.
Kardinal Aveline, ein papabile
| Kardinal Jean-Marc Noël Aveline kommt bei den Menschen gut an und gilt als französischer Bischof, der Franziskus am nächsten stand.

Kardinal Jean-Marc Noël Aveline, Erzbischof von Marseille, ist mit 67 Jahren ein junger „papabile“, weshalb manche bezweifeln, dass er zum Papst gewählt werden könnte, obwohl er angeblich als Papst Franziskus' „Favorit“ für die Nachfolge auf dem Stuhl Petri galt. In seiner Diözese ist er beliebt und bekannt als Mann der mediterranen Freundlichkeit mit beruhigender Ausstrahlung. 2022 erhielt er die Kardinalswürde und wurde Anfang April zum neuen Vorsitzenden der Französischen Bischofskonferenz (CEF) ernannt; das Amt tritt er offiziell am 1. Juli an. 

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Besonders seine Nähe zu Franziskus macht ihn zum „papabile“ – und hier besonders seine Kernkompetenz: Dialogbereitschaft und -fähigkeit, aber auch seine bescheidene Herkunft als „pieds-noir“ (Europäer, die bis zur Unabhängigkeit des Landes 1962 in Algerien wohnten und dann vertrieben wurden) sowie seine ständige Sorge um die „Peripherien“ in seiner Erzdiözese Marseille. Besonders als Vordenker der „Mittelmeertheologie“, die wissenschaftliche Theorien und spirituelle Erfahrungen verschiedenster Epochen, Kulturen und Religionen zusammenfügt, könnte Aveline interessant werden. 

Schwerpunkt: interreligiöser Dialog

Für ihn sind die Fragen rund um den Mittelmeerraum entscheidend für die Zukunft der Welt, weshalb er Papst Franziskus 2023 zur Teilnahme am Treffen mit Bischöfen und Jugendlichen aus dem Mittelmeerraum in Marseille bewegen konnte — seine Vorgänger schafften es nicht, Franziskus nach Frankreich zu „bringen“. Franziskus erwog sogar, Aveline zum Präfekten des Dikasteriums für den interreligiösen Dialog zu ernennen, entschied sich dann aber dagegen: Aveline sollte seine pastorale Arbeit in Marseille fortsetzen. 

Obwohl interreligiöser Dialog im Mittelpunkt des Denkens und Wirkens von Aveline steht, hat er selbst dies nicht so geplant. Auch interessiert er sich eher für den französischen Philisophen Paul Ricœur und „die Christologie und die Herausforderungen der Säkularisierung“. Aber als Vertriebener und dann Marseillaner, der multikuturell aufwuchs, war er geradezu prädestiniert für interreligiösem Dialog. Er war noch Priester, als der damalige Erzbischof von Marseille, Kardinal Robert Coffy, wünschte, dass Aveline das „Institut de Science et Théologie des Religions (ISTR) in Marseille“ gründet und leitet. Er tat es nach eigenen Worten aus Gehorsam seinem Erzbischof gegenüber.

Liebe für Bildung und Wissenschaft

Aveline lebt seit seinem vierten Lebensjahr in Marseille. Geboren wurde er am 26. Dezember 1958 in der algerischen Stadt Sidi bel Abbès. Nachdem Algerien 1962 unabhängig geworden war, wurde seine Familie vertrieben, zog zunächst von Hotel zu Hotel - bis sie sich 1965 in Marseille niederließ.

1977 trat Aveline in das Priesterseminar in Avignon ein, studierte biblisches Griechisch und Hebräisch sowie Theologie und Philosophie. Seine Dissertation schrieb er über die Christologie der Religionen. 1984 empfing er die Priesterweihe, 2014 wurde er Weihbischof von Marseille, 2019 Metropolitan-Erzbischof der Stadt. Bildung und Wissenschaft blieb Aveline stets verbunden — sei es als Dozent und Rektor am interdiözesanen Priesterseminar in Marseille oder als Leiter des „Institut de Science et Théologie des Religions (ISTR) in Marseille“. Als Papst würde er Franziskus' Linie vermutlich fortführen, aber wahrscheinlich mit einer wissenschaftlicheren Nuance.

Beginn einer neuen Ära?

Einige Franzosen sehen in Aveline den Beginn einer neuen Ära; bei linksliberalen Katholiken ist er beliebt, wenngleich er sich zu Themen wie Frauenordination, Zölibat und Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene nur zurückhaltend äußert. Deutlich prangert er dagegen Ideologien, Abtreibung, Euthanasie, Drogen- und Waffenhandel an. Wie Franziskus befürwortet Aveline eine Dezentralisierung in der Kirche und setzt auf das gegenseitige Zuhören und den Dienst an anderen.

Er betont das Zusammenspiel von Mission und interreligiösem Dialog. Dieser dürfe sich nicht in endlosen Diskussionen erschöpfen, sondern müsse in konkreter Zusammenarbeit und Taten der Nächstenliebe wurzeln. „Bekehrung zum Evangelium“ ist seine Devise. Wie es einmal in einem Artikel der Herder-Korrespondenz stand, wolle Aveline die Katholiken dazu ermutigen, „sich zur Katholizität der Kirche zu bekehren“.

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