Der chilenische Kardinal Fernando Chomalí hat das Konklave zur Wahl von Papst Leo XIV. als tief geistliche Erfahrung beschrieben. In einem Gespräch mit „OSV News“ vom Freitag sprach der Erzbischof von Santiago von einem Klima der Einheit und Brüderlichkeit. Die Wahl von Kardinal Robert Francis Prevost zum neuen Papst sei von Gebet, Disziplin und gegenseitigem Respekt geprägt gewesen.
„Es war eine sehr beeindruckende kirchliche, spirituelle und menschliche Erfahrung“, sagte Chomalí. Obwohl er zum Abstimmungsverlauf keine Angaben machen dürfe, schilderte er die Stimmung unter den Kardinälen als konzentriert und von Gottesfurcht getragen. Besonders habe ihn das Bewusstsein bewegt, als einziger wahlberechtigter Kardinal seines Landes die Stimme für den Nachfolger Petri abzugeben. „Ich fühlte mich, als trüge ich ganz Chile in meinem Herzen“, erklärte er.
Bescheiden, klug und pastoral
Chomalí lobte den neuen Papst Leo XIV., den er zuvor als Präfekt des Bischofsdikasteriums kennengelernt hatte, als „bescheidenen und einfachen Mann“ mit scharfem Verstand und sanftem Auftreten. „Er hört aufmerksam zu, beobachtet alles genau und spricht wenig“, so Chomalí. Zudem verfüge der Papst über viel Humor und zeige sich im persönlichen Umgang angenehm und nachdenklich.
Nach der Wahl habe es ein schlichtes, herzliches Abendessen unter den Kardinälen gegeben, bei dem auch der neue Papst anwesend war. Laut Chomalí sprach Leo XIV. dabei über seine familiären Wurzeln und seine mathematischen Studien in jungen Jahren.
Auf die Frage, warum er den Namen Leo XIV. gewählt habe, antwortete der Papst laut Chomalí: „Er sei inspiriert von Leo XIII., der in Zeiten großer Umbrüche mit der Enzyklika ‘Rerum Novarum’ einen entscheidenden Impuls für den Dialog der Kirche mit der Moderne gesetzt habe.“ In ähnlicher Weise sehe er die Kirche heute gefordert, auf Entwicklungen wie künstliche Intelligenz, Robotik und neue Formen des Zusammenlebens zu reagieren.
Kirche als moralische und akademische Autorität
Laut Chomalí sieht Leo XIV. eine zentrale Aufgabe der Kirche darin, „in einer Zeit großer Umbrüche Orientierung zu geben, mit moralischer Autorität, aber auch mit ihrer akademischen Stärke.“ Die Kirche müsse sich ernsthaft mit der „neuen kulturellen Revolution“ auseinandersetzen und ihre Stimme in das öffentliche Gespräch einbringen.
Von Intrigen oder Machtkämpfen, wie sie in Filmen über Konklaven oft dargestellt würden, habe es im Vatikan nichts zu sehen gegeben. „Wenn Sie mich fragen, ob es Machenschaften gab: nein“, sagte Chomalí. Der Film „Conclave“ sei völlig unrealistisch.
Der chilenische Kardinal hob zudem hervor, wie sehr ihn die Erfahrung gemeinsamer Liturgie und Disziplin unter den Kardinälen beeindruckt habe. „Jeder Tag begann mit der heiligen Messe. Es herrschte Pünktlichkeit und Respekt gegenüber allen Abläufen.“
Die Reaktion der Menschenmengen auf dem Petersplatz sei aus dem Inneren nicht zu hören gewesen, so Chomalí. Doch als er anschließend vom Balkon aus die Via della Conciliazione überblickt habe, sei ihm bewusst geworden: „Die Kirche lebt.“
Seine Rückkehr nach Chile wolle er mit einer Botschaft verbinden: „Wir waren Menschen aus sehr unterschiedlichen Ländern, die verschiedene Sprachen sprechen, aber vereint durch das Evangelium. Diese gemeinsame Geschichte und Mission hat die Temperatur möglicher Spaltungen gesenkt.“ DT/jna
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