Die Zahl der Priesteramtskandidaten in Deutschland hat einen neuen Tiefstand erreicht. 2024 wurden nur 29 Männer geweiht. Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt, der selbst nicht über Nachwuchsmangel in seiner Dözese klagen kann, sieht den Grund für den Mangel an Berufungen in der Gotteskrise. Im Interview mit „katholisch.de“ sagte er am Montag: „Wenn man aber einmal verstanden hat, dass Gott mit jedem Menschen – also auch mit mir selbst – etwas vorhat, dann hat man die Chance, die eigene Berufung zu entdecken.“
Insofern bedeute für ihn Berufungspastoral, Menschen zu helfen, „Gottes Ruf zu hören und richtig zu deuten“. Die meisten Menschen hätten vergessen, „dass Gott uns Menschen anspricht und uns zu etwas bewegen möchte“, so der Bischof. Papst Franziskus habe die Situation der Glaubenserosion in Deutschland in seinem Brief an das pilgernde Volk Gottes in Deutschland „sehr gut beschrieben“. Wir erlebten mit Blick auf die Glaubenspraxis „einen Abbruch großen Ausmaßes, bestimmte Formen religiösen Lebens sind nicht mehr selbstverständlich. Und in einer solchen Umgebung entstehen eben auch kaum neue Priesterberufungen“.
„Lies regelmäßig das Evangelium"
Zwar könne man Berufungen „nicht machen". Aber man könne „Räume schaffen, in denen der Ruf Gottes möglicherweise besser gehört werden kann“, wie Bibelkreise oder geistliche Gesprächsrunden, in denen „insbesondere junge Menschen beten lernen und Zugang zum Wort Gottes finden können“. Dies sei heutzutage zwar nicht mehr selbstverständlich, aber unverzichtbar. Sein Tipp für Männer, die überlegten, Priester zu werden: „Lies regelmäßig das Evangelium – und achte auf Stellen, bei denen du spürst: Das spricht mich an.“
Statt „über die aktuelle Lage der Kirche und die Herausforderungen des Priesterberufs" zu klagen und zu jammern, brauche es eine positive Grundhaltung zur Berufung, vor allem von Seiten des gesamten Presbyteriums eines Bistums, aber auch von Laien, die genauso aufgerufen seien, an der Glaubensverkündigung mitarbeiten, so Ipolt.
Berufungen aus Pfarrei mit lebendiger liturgischer Praxis
Dass es in seinem Bistum genügen Nachwuchs gibt - dagegen fehlten Gemeindereferenten - , liegt nicht zuletzt an einer Pfarrei, aus der in den vergangenen Jahren gegen den bundesweiten Trend gleich mehrere Priesterberufungen hervorgegangen sind. Berufungen seien dort fast schon etwas Normales, sagt Ipolt. Das liege seiner Ansicht nach daran, dass es sich bei jener Pfarrei um eine deutsch-sorbische Gemeinde handele, „die bis heute eine sehr lebendige liturgische Praxis pflegt – mit Andachten, Prozessionen und besonderen Gebetsorten, die es anderswo so nicht gibt“. Hinzu käme ein großer sozialer Zusammenhalt.
Zudem gebe es in Görlitz zusätzlich zum Ostersonntag, dem Weltgebetstag um geistliche Berufe auch einen „Priesterdonnerstag“. Es sei die Regel, „dass an jedem ersten Donnerstag eines Monats um Berufungen gebetet werden soll“, erklärt Ipolt. Er selbst sei dankbar, diese Berufungsweg gegangen zu sein. Dieser Dienst sei für ihn bis heute „erfüllend und sinnstiftend“. DT/dsc
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