Der deutsche Jesuitenpater Hans Zollner, der das Institut zum Schutz vor Missbrauch der päpstlichen Universität Gregoriana leitet und als Fachmann für die Prävention von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen in der katholischen Kirche gilt, hat in einem Interview mit der „Augsburger Allgemeinen“ insbesondere das Tempo sowie fehlende einheitliche Standards bei der Missbrauchsaufarbeitung in Deutschland gerügt.
Kirche und ihre Verantwortungsträger überfordert
Zollner wies darauf hin, dass in Österreich bereits 2010, in Frankreich 2018 von den dortigen Bischofskonferenzen unabhängige Kommissionen für den gesamten Aufarbeitungsprozess eingesetzt worden seien. „Es gab damit von Beginn an gemeinsame Standards und gemeinsame Meldewege – in Deutschland hatte man dazu leider nicht die notwendige Entschiedenheit“, so der Psychologe und Theologe.
Der Jesuit, der künftig auch die diözesane Fachstelle für Kinderschutz im Bistum Rom beraten wird, habe den Eindruck, die Kirche und ihre Verantwortungsträger seien überfordert. „Die Kirchenleitung jedenfalls hätte viel früher auf Transparenz und Rechenschaftspflicht und die persönliche Befähigung Wert legen müssen. Doch so etwas ist in der Kultur der Kirche bis heute nicht verankert“. So zementiere sich der Eindruck von einem Gutachten zur nächsten Studie, „dass die Kirche nichts dazu lernt“.
Kirchenleute würden etwa bis heute nicht verstehen, dass Betroffene unterschiedliche Arten von Aufarbeitung verlangten, so der Pater weiter. „Einige wollen Geld, andere nicht. Einige wollen an die Öffentlichkeit, andere nicht. Einige wollen mit einem Bischöfe reden, andere nicht.“ Angesichts dessen wäre ein deutliches Signal der Kirche hilfreich, dass sie auf diese verschiedenen Wünsche eingehe. Das passiere aber nicht flächendeckend. Der Experte äußerte außerdem Zweifel am Willen der Regierung von Bund und Ländern, sich dem Problem zu stellen und eine eigene Aufarbeitung auf den Weg zu bringen. „So etwas würde viel Geld kosten.“ DT/jg
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