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Kardinal Gerhard Müllers böser Corona-Verdacht

Der Ex-Präfekt spricht gegenüber dem Aktivisten Alexander Tschugguel von einer Weltverschwörung. Warum und mit welchem Ziel tut er das?
Kardinal Müller in Altötting
Foto: Sven Hoppe (dpa) | Die Frage ist, ob Müller mit seinem Video-Statement von gerade einmal 140 Sekunden dazu beigetragen hat, eine passende Antwort auf die vielen Befürchtungen und Ärgernisse der Menschen zu geben.

Der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Müller, hatte eine Botschaft zu verkünden: Die Corona-Politik der Staaten in dieser Welt, unter der so viele Bürger und Institutionen leiden, werde von einer Finanzelite genutzt, um „die Menschen jetzt gleichzuschalten“ und einer „totalen Kontrolle“ zu unterziehen.

Jeder Kardinal überlegt gut, welches Medium er nutzt

Namentlich nannte der Kardinal als Protagonisten einer „nicht legitimierten Einflussnahme der superreichen Eliten in verschiedenen Ländern“ den Milliardär Bill Gates, den Investor Georg Soros und den Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab, den Gründer des Weltwirtschaftsforums – die man ja tatsächlich äußerst kritisch sehen muss. Diese Leute wollten über die Bekämpfung der Epidemie einen Überwachungsstaat auf Erden etablieren und eine „neue Schöpfung“ beziehungsweise einen neuen Menschen nach ihrem Bild schaffen (welche natürlich keine christlichen sind). 

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Jeder Kardinal der Kirche überlegt sich gut, welches Medium er nutzt, wenn er sich an die Öffentlichkeit wenden will. Denn die Stimme eines Kardinals hat im katholischen Raum und darüber hinaus immer noch Gewicht. Müller wählte das in Österreich angesiedelte und weitgehend unbekannte St. Bonifatius Institut, als dessen Inhaber Alexander Tschugguel firmiert, also jener katholische Aktivist, der vor der Amazonas-Synode in Rom Aufsehen erregte, als er den ominösen Pachamama-Figuren ein Tauchbad im Tiber verordnete.

Die Frage ist, ob Müller mit seinem Video-Statement von gerade einmal 140 Sekunden dazu beigetragen hat, eine passende Antwort auf die vielen Befürchtungen und Ärgernisse zu geben, die die teilweise ganz unterschiedlichen Maßnahmen und Einschränkungen der staatlichen Institutionen in aller Welt wegen der Corona-Epidemie bei den einfachen Menschen auslösen. Und ob er überhaupt eine Antwort geben kann. Denn das hieße ja, dass dem Kardinal Informationen vorliegen, die selbstverständlich auch dem Vatikan vorliegen müssen. Denn was Müller erfährt, erfährt das vatikanische Staatssekretariat mit seinen Dutzenden von diplomatischen Vertretungen in allen Kontinenten allemal. 

Müller lässt so manchen noch verzweifelter sein

Das würde aber nur eine Schlussfolgerung zulassen: Der Papst, der die staatlichen Corona-Maßnahmen unterstützt und selber im kleinen Kirchenstaat anwenden lässt, täuscht die Katholiken, er spricht nicht die Wahrheit, sondern macht Propaganda für die von Kardinal Müller vermuteten Drahtzieher einer neu heraufziehenden Weltregierung, die Leute wie Gates, Soros und Schwab angeblich planen.

Während normale Katholiken versuchen, sich geistig / geistlich trotz der Corona-Hysterie ein wenig in die Adventszeit einzufühlen und auf das Weihnachtsfest vorzubereiten, das die Ankunft des Erlösers feiert, streut Müller einen schlimmen Verdacht und lässt so manchen noch verzweifelter sein, als er ohnehin schon wegen all der Corona-Nöte und Verkomplizierungen des alltäglichen Lebens ist. 

Konkret gefragt: Was soll man tun, wenn man das Statement des Kardinals gesehen oder gelesen hat? Widerstand leisten, nicht nur gegen den Staat, sondern auch gegen eine Kirche, die an oberster Stelle Weltverschwörer deckt? Man möchte Müller fast inständig bitten, in einer weiteren Stellungnahme seinen Anhängern zu erklären, warum und mit welchem Ziel er diese Thesen jetzt gegenüber dem Aktivisten Tschugguel vertreten hat.

 

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