Die Psychiaterin und langjährige Vertraute von Johannes Paul II., Wanda Póltawska, ist tot. Die Widerstandskämpferin und KZ-Überlebende, die bis heute als eine autorisierte Vertreterin der Lehre des polnischen Papstes gilt, starb in der Nacht im Alter von 101 Jahren in ihrer Wohnung in Krakau. Dies teilt der Sprecher der Krakauer Kurie, Łukasz Michalczewski, mit. Am 2. November hätte sie ihren 102 Geburtstag feiern können.
Wanda Półtawska (geb. Wojtasik) kam 1921 in Lublin in der Familie eines Postbeamten zur Welt. Früh engagierte sie sich in einer Pfadfindergruppe. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wirkte sie, wie das polnische Online-Medium „onet.pl“ berichtet, im Untergrund als Überbringerin von Postsendungen, Waffen und Geld.
Im Februar 1941 nahm ihr Leben eine schicksalhafte Wendung
Am 17. Februar 1941 nahm ihr Leben eine schicksalhafte Wendung: sie wurde von den Nazis verhaftet und in einem Gefängnis in Lublin zusammen mit anderen polnischen Widerstandskämpferinnen gefoltert. Bald darauf brachte man sie in das Lager Ravensbrück, wo Wanda Półtawska grausamen medizinischen Experimenten der Nazis unterworfen war. Sie berichtet davon in dem auch auf Deutsch erschienenen Buch „Und ich fürchte meine Träume“ (Fe-Medienverlag).
Nach dem Krieg studierte Półtawska Medizin an der Jagiellonen-Universität in Krakau; das Studium schloss sie mit einem Doktortitel in Psychiatrie ab. Laut Tomasz Krzyżak, dem Autor des Buches „Wanda Półtawska. Biografia z charakterem“ (Wanda Półtawska. Eine Biographie mit Charakter, 2017) fand ihre erste Begegnung mit dem Geistlichen und späteren Papst Karol Wojtyła wohl im Jahr 1953 statt. Półtawska selbst berichtetet davon, dass es bei einer Beichte war, während der Wojtyła ihr im Unterschied zu anderen Geistlichen kein Patentrezept beim Umgang mit ihren Kriegs-Traumata empfahl, sondern zuhörte und ihr lediglich empfahl, täglich mit dieser psychischen Last zur heiligen Messe zu gehen.
Zusammen mit Wojtyła, der bald darauf Erzbischof und dann Kardinal von Krakau wurde, prägte sie die akademische Seelsorge der Diözese Krakau auf den Gebieten Familienseelsorge und Lebensschutz. Auch später im Vatikan hielten die beiden einen engen seelsorgerlichen und wissenschaftlichen Kontakt. Es war Wanda Półtawska, die den Papst aus Polen direkt auf klerikale Missbrauchsfälle in seinem Heimatland aufmerksam machte. Darauf reagierte er schnell und durchgreifend.
In Polen ist Wanda Półtawska mehrfach ausgezeichnet worden
Weltberühmt wurde Wanda Półtawska, die mit dem Philosophen Andrzej Pòłtawski verheiratet und Mutter von vier Töchtern war, durch einen dramatischen Vorfall: Als Wojtyła während des Konzils in Rom weilte und von einer gefährlichen Krebserfahrung Półtawskas erfuhr, wandte er sich in einem Brief an den stigmatisierten Kapuziner Pater Pio. Mit der Bitte um Gebet für die Ärztin. Tatsächlich trat die Heilung ein. Półtawska musste nicht mehr operiert werden. Pater Pio, den sie später persönlich kennenlernte, spielte für ihre persönliche Spiritualität daraufhin eine wichtige Rolle.
In Polen ist Wanda Półtawska mehrfach ausgezeichnet worden. So etwa im Jahr 2016 mit dem „Orden des Weißen Adlers“, der höchsten polnischen Auszeichnung.
In wenigen Tagen erscheint ihr Buch „Lernt einander lieben“, in dem sie Jugendliche und Ehepaare zur „Theologie des Leibes“ ermutigt, im Fe-Medienverlag. Erst kürzlich war der Verleger Bernhard Müller bei ihr in Krakau zu Besuch. Gegenüber der „Tagespost“ sagt er: „Es war ihr Wunsch solange noch zu leben, bis das Buch auf Deutsch fertig sei. Jetzt ist es in der Druckerei in Warschau zwar praktisch fertig, aber sie selber konnte es leider nicht mehr in Händen halten.“ DT/mee
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