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Joachim Molz: Ein Unternehmer sieht grün

Der IT-Unternehmer Joachim Molz geht unter die Bio-Winzer – Das Engagement des gebürtigen Trierers rettet in seiner Heimatstadt nicht nur einen geschichtsträchtigen Kloster-Weinberg, Molz renaturisiert zugleich ein einzigartiges Biotop. Und damit ist das Ende der Fahnenstange seines grünen Engagements noch lange nicht erreicht.
Joachim Molz tauscht sich mit  Schwester Stephanie über das Wachstum der Reben aus.
Foto: Thomas Vatheuer | Winzer-Quereinsteiger Joachim Molz tauscht sich mit Schwester Stephanie im Weinberg St. Maximiner Kreuzberg über das Wachstum der Reben aus.

Über allem wacht der heilige Josef. Wenn auch nicht in persona, so eben doch beinah. Vertreten von einer mannshohen Statur, die vor Wind und Wetter geschützt, im Inneren einer weiß getünchten Kapelle steht, die auf der Anhöhe des St. Maximiner Kreuzberg errichtet wurde, entgeht dem Vorbild der Arbeiter hier nichts. Einen Steinwurf entfernt steht ein grauer Bauwagen. Hier bewahrt Joachim Molz das Werkzeug auf, dass er und seine Mitarbeiter zur Bewirtschaftung des Weinbergs benötigen. Der 54-Jährige steht im Steilhang. Es ist sieben Uhr morgens. Mit einer Winzerschere schneidet Molz umsichtig die Trauben von den Riesling-Stöcken. „Gelesen wird in aller Herrgottsfrühe, wenn die Trauben noch kühl sind von der Nacht. Dann sind sie mikrobiologisch stabiler“, erklärt Molz. Viele der ehemals rund 3 500 Weinstöcke in dem gut ein Hektar großen Weinberg sind ziemlich alt, 600 weitere hat er selbst in diesem Frühjahr gesetzt.

Es ist die erste Lese, die der gebürtige Trierer als neuer Pächter des St. Maximiner Kreuzbergs veranstaltet. Der Weinberg, von dem man aus auf den Trierer Dom schauen kann, gehört dem Benediktinerinnen-Kloster Bethanien in Trier-Kürenz. Zwischen zwei Weltkriegen erbaut, bezogen die Benediktinerinnen vom heiligsten Sakrament am Himmelfahrtstag des Jahres 1922 hier ein neues Kloster. Neben Chorgebet und Anbetung widmeten sich die Schwestern hauptsächlich der Landwirtschaft und der Paramentenstickerei. Auf dem damals rund 20 Hektar großen Areal betrieben sie Viehzucht und bewirtschaften die Weinberge. Als der Konvent 1964 die Hostienbäckerei der Schwestern vom guten Hirten übernahm, verpachteten die Nonnen große Teile des Ackerlandes und der Weinberge an die Bischöflichen Weinberge.

Der Weinberg sollte in gute Hände kommen

Nicht jedoch den direkt an das Kloster grenzenden St. Maximiner Kreuzberg. Bis die Schwestern auch diesen nicht mehr selbst bewirtschaften konnten. „Es war uns ein Anliegen, dass der Weinberg in gute Hände kommt“, erklärt Schwester Stephanie freudestrahlend. Und doch klingt auch ein Hauch von Wehmut in den Worten der 57-jährigen Verwaltungsleiterin des Klosters Bethanien mit: „Über viele Jahrzehnte haben unsere Mitschwestern darin gearbeitet und wir wollten diesen Weinberg gern als Kulturgut erhalten.“Möglich gemacht hat das im vergangenen Jahr Joachim Molz.

Dabei kommt der diplomierte Betriebswissenschaftler eigentlich aus einer ganzen anderen Branche. Als Teilhaber und Mitgeschäftsführer der WIKON Kommunikationstechnik GmbH baute er das Unternehmen mit Firmensitz in Kaiserslautern zu einem internationalen Technologieführer und weltweit renommierten Spezialisten für Fernwirken und Fernüberwachung aus. Vor ein paar Jahren verkauften er und sein Mitgeschäftsführer das Unternehmen an einen US-amerikanischen Investor. Eigentlich hätte Molz sich anschließend zur Ruhe setzen können. Doch schon nach einem Sabbatjahr juckte es den heimat- und naturverbundenen Entrepeneur wieder in den Fingern.

Lebensraum für Nützlinge

Auch eine große Streuobstwiese, auf der vier Bienenvölker angesiedelt wurden, gehören zu der Pacht. „Die Nützlinge, denen wir hier einen Lebensraum bieten, halten dafür die Schädlinge im Weinberg klein“, erklärt der Neo-Bio-Winzer. Regelmäßig tauscht sich der Quereinsteiger auch mit Schwester Stephanie aus. In diesem Sommer hat das feucht-warme Wetter Molz besonders beim Pflanzenschutz gefordert. Es galt, mögliche Pilzerkrankungen der Reben zu vermeiden. Und das ganz ohne chemische Keulen. „Das gesamte Gelände soll seine urwüchsige Schönheit zurückerhalten, daran arbeiten wir, ganz im Sinne der Schwestern, die damals mit viel Mühe dieses einzigartige Stück Natur liebevoll gestaltet haben“, erläutert Molz. Erstmals wüchsen hier nun Weinreben, die unter ökologischen Vorgaben bewirtschaftet werden. Dabei hat das Flurstück eine lange Tradition.

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Um 1820 hatten, wie Dokumente mit den Flurnummern in den historischen Grundbüchern belegen, Karl Marxs Eltern Teile des Weinbergs gepachtet und hier für einen guten Weinertrag gesorgt. „Wir sind schon ganz gespannt auf die erste Ernte aus dem St. Maximiner Kreuzberg“, bestätigt Schwester Stephanie die gute Zusammenarbeit mit dem neuen Pächter des Weinberges. Der Ausbau des Weins, der nun erstmals aus den Bio-Riesling-Trauben des St. Maximiner Kreuzberg gekeltert wird, erfolgt im Dominikanerweingut C. von Nell-Breuning in Kasel bei Trier. Das Weingut im Ruwertal, das seit zwei Jahren als Umstellungsbetrieb nach biodynamischen Prinzipien arbeitet, besitzt ebenfalls eine jahrhundertealte Tradition.

Weingut mit Tradition

Seit 2013 wird es von Carmen von Nell-Breuning geführt. In nunmehr 11. Generation. 1709 erhob Kaiser Joseph I. Peter Christian Nell für seine Verdienste in den Adelsstand. Den Wohlstand, den er und seine Familie als erfolgreiche Flößer und Holzhändler erwerben, legen sie in Weinberge und anderen Grundbesitz an. Seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts tragen Familie und Weingut den Namenszusatz „Breuning“. Um ein Aussterben des Namens derer von Breunig zu verhindern, übertrug der bekannte Sozialreformer und katholische Theologe, Oswald von Nell-Breuning (1890–1991), als Sohn des Weingutsbesitzers Arthur von Nell und seiner Frau Bernharda von Breuning, seinen Doppelnamen an seinen Neffen und einziges Patenkind, Christoph von Nell.

Joachim Molz, der sich während seines Studiums auch immer wieder mit der Katholischen Soziallehre beschäftigte, wagt die These: „Der Jesuit Oswald von Nell-Breuning, der als Nestor der Katholischen Soziallehre gilt, träte vermutlich heute für eine ökosoziale Gemeinschaftsordnung ein, die einen Ausgleich zwischen Ökonomie und Ökologie sucht.“

Um einen solchen geht es auch Molz. „Weinbau an der Mosel im Einklang mit der Natur verdient mehr Beachtung“, ist sich der NEO-Bio-Winzer sicher. Und so hat er neben der Arbeit im Steilhang des St. Maximiner Kreuzbergs zusammen mit seinem Geschäftspartner Thomas Vatheuer gleich noch die Dachmarke „PUR-Mosel“ ins Leben gerufen. Über das gleichnamige Internetportal (www.pur-mosel.de) sollen Weinliebhaber für BIO-Weine interessiert und umfassend informiert werden. Damit nicht genug: Ein integrierter Webshop soll Umstellern und BIO-Winzer an der Mosel ermöglichen, ihre eigenen Erzeugnisse über einen zusätzlichen Vertriebskanal auch bundesweit zu vermarkten und zu vertreiben.

Viel Zeit und Arbeit investiert

Ein Selbstläufer ist das nicht, weshalb Molz denn auch viel Zeit und Arbeit in die Entwicklung der Dachmarke investiert. Nach einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, dem sogenannten Öko-Barometer 2020, fristen alkoholische Getränke aus ökologischer Produktion bislang ein Schattendasein. Verbraucher griffen zwar zu Bio-Eiern und anderen Bio-Produkten, aber bei alkoholischen Getränken nur selten zu Bio-Qualität. „Im vergangenen Corona-Jahr hat der Konsum von alkoholischen Getränken aus ökologischer Produktion sogar abgenommen“, weiß Molz. „Das wollen wir nun ändern“, sagt der Neo-Bio-Winzer selbstbewusst. „Auf Dauer setzt Qualität sich durch“, ist Molz überzeugt. Und gerade an der Mosel wüchsen mittlerweile Weine aus ökologischer Erzeugung „mit Weltniveau“. Neben all dem geht es dem Diplom-Kaufmann aber auch um „faire Preise“. „Die Durchschnittspreise sind hier im Vergleich zu anderen Weinbauregionen noch zu niedrig. Besonders gelte dies „im Verhältnis zu dem hohen Arbeitsaufwand, der vor allem im Steilhang von Nöten ist, weil hier die Lese noch von Hand bewerkstelligt werden muss“, erklärt Molz.

Was der heilige Josef von all dem hält? Seine Statur auf der Anhöhe des St. Maximiner Kreuzbergs schweigt, was, zugegeben, wenig überrascht. Aber vielleicht redet statt seiner ja demnächst der Wein hier eine klare Sprache. Schließlich heißt es nicht umsonst: „In vino veritas“.

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Stefan Rehder

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