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Russische Politik und Hooliganismus

Wer setzt sich bei der Fußball-Weltmeisterschaft neben dem Platz durch: die russische Staatsführung oder die Hooligans? Von Peter Dewald
Hooligans
Foto: Karina Hessland (dpa-Zentralbild) | Hooligans - einige "Fußballfans" sind auf Gewalt aus. Foto: Karina Hessland/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Als Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft möchte sich Russland der Welt als ein weltoffenes und friedliches Land präsentieren. Dies betonte Staatspräsident Putin bei seiner Rede zum Eröffnungsspiel, bei der er auch den Fußball als ein Mittel zur friedlichen Verständigung zwischen den Kulturen lobte.

Dass ausgerechnet russische Hooligans nur zwei Jahre zuvor, bei der Fußball-Europameisterschaft 2016, in Frankreich eine regelrechte Gewaltorgie gefeiert hatten, hatte Putin bei seiner Eröffnungsrede über Frieden und Fußball wahrscheinlich nicht im Hinterkopf. Dreißig Stunden hielten die russischen Hooligans seinerzeit in Marseille die ziemlich überforderte französische Polizei in Atem, verwüsteten die Innenstadt und machten Treibjagd auf englische Hooligans und harmlose Passanten. Nicht von ungefähr gelten die russischen Hooligans derzeit in der Szene neben den polnischen als führend. Sie sind bestens organisiert, im Kampfsport erprobt und besonders brutal. Da wäre die WM im eigenen Land eigentlich auch für sie eine ideale Bühne. Und auch sie hätten eine Botschaft an die Welt: sie würde sich um ein Ausländer freies Russland und um männliche Stärke drehen, Rassismus und Gewalt also.

Da drängt sich die Frage auf, wer mit seiner Botschaft bei der Fußball-Weltmeisterschaft durchdringen wird: die russische Staatsführung oder die Hooligans?

Bilder von gewalttätigen Hooligans wird es bei der WM in Russland  nicht geben, so versichert Sportsoziologe Gunter A. Pilz gegenüber der „Tagespost“. Pilz, der seit vier Jahrzehnten Fan- und Hooliganforschung betreibt, erklärt, dass „der russische Staat und Sicherheitsapparat alles erdenkliche unternommen“ hat, um alle Gewaltgelüste der russischen Hooliganszene bereits im Vorfeld der WM„im Keim zu ersticken“. So stecken die „Hauptköpfe der russischen Hooliganszene“ derzeit entweder im Gefängnis, stehen unter Hausarrest oder wurden so „eingeschüchtert“, dass sie vorzogen, sich vor dem Zugriff des Sicherheitsdienstes rechtzeitig ins Ausland abzusetzen.

Dieses drastische Vorgehen verdeckt, dass die russische Politik ein ambivalentes Verhältnis zu den russischen Hooligans hat. Zwar geraten Hooligans und Sicherheitskräfte immer wieder aneinander. So zum Beispiel 2010, als über dreitausend Hooligans gemeinsam mit rechtsextremen Aktivisten in Moskau tagelang Jagd auf kaukasische und asiatische Migranten machten und sich schwere Zusammenstöße mit der Polizei leisteten. Andererseits hegt die russische Politik zum Teil ganz offen Sympathie für das Auftreten der Hooligans und ihrer Botschaft über die Rückkehr zu einem starken und traditionellen Russland. Über die Gewaltorgie von Marseille 2016 twitterte damals kein geringerer als der stellvertretende Parlamentspräsident Igor Lebedew, die russischen Hooligans hätten die Ehre Russlands verteidigt. Er nannte sie „Prachtkerle“ und ermunterte sie: „weiter so“. Auch andere ranghohe Politiker äußerten sich wohlwollend. Dass der organisierte Hooliganismus über einflussreiche Verbindungen bis in die höchsten politischen Kreise verfügt, rechtfertigt solche verbalen Entgleisungen zwar nicht, aber es erklärt sie zumindest.

Auch ausländische Hooligans werden die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland meiden, meint Pilz. Sie möchten nicht in die Fänge der straff organisierten russischen Sicherheitskräfte oder gar in eines der berüchtigten Gefängnisse geraten. Demnach haben die Hooligans im In- und Ausland, die selbst gerne Angst und Schrecken verbreiten, derzeit selbst etwas Angst.

Fanforscher Pilz rechnet damit, dass Russland bei der Weltmeisterschaft ein von Gewaltausschreitungen freies, ungetrübtes „Sommermärchen 2018“ feiern kann.

Danach jedoch wird die Hooligan-Szene in Russland wieder aufblühen. Zu sehr ist sie mit der russischen Politik und ihrer Ideologie eines starken Russlands verknüpft, so dass bisher auch der politische Wille fehlte, dieses Übel von seiner Wurzel, nämlich langfristig präventiv zu bekämpfen.

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