Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung 900 Fälle mehr als 2021

Zahl der Suizide deutlich gestiegen

Forschungsdaten deuten auch auf eine Zunahme der assistierten Suizide hin – Psychiater fordern gesetzliche Regelung von Suizidhilfe.
Statistik zu Suiziden
Foto: IMAGO/Felipe Tomás Jiménez Ordóñez (www.imago-images.de) | Wie die Statistiker weiter meldeten, wurden rund 75 Prozent der Selbsttötungen von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter der Männer lag zum Zeitpunkt des Suizides bei 60,3 Jahren.

In Deutschland ist die Zahl der Suizide signifikant gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt in Wiesbaden starben 2022 in Deutschland 10.119 Personen durch die eigene Hand. Das sind rund 28 Suizide pro Tag; 9,8 Prozent oder 904 Fälle mehr als im Jahr 2021 (9.215).

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Wie die Statistiker weiter meldeten, wurden rund 75 Prozent der Selbsttötungen von Männern begangen. Das durchschnittliche Alter der Männer lag zum Zeitpunkt des Suizides bei 60,3 Jahren. Frauen waren im Durchschnitt zum Zeitpunkt der Selbsttötung 62 Jahre alt. Die am häufigsten gewählte Suizid-Methode war sowohl bei Frauen als auch bei Männern die Selbsttötung durch „Erhängen, Strangulieren oder Ersticken“. Die Hälfte aller Männer (49,9 Prozent) und nahezu ein Drittel aller Frauen (30 Prozent), die 2022 Suizid verübten, „entschieden“ sich laut der Wiesbadener Behörde für diese Art der Selbsttötung.

Große regionale Unterschiede

Innerhalb Deutschlands verzeichnete das Amt signifikante Unterschiede bei der Suizidraten: Verglichen wurden die Sterberaten je 100.000 Einwohner. Danach gab es in Nordrhein-Westfalen mit acht Suiziden pro 100.000 Einwohner die wenigsten Selbsttötungen. Die höchste Suizidrate (mehr als doppelt so hoch) gab es im Freistaat Sachsen. Hier starben 2002 mehr als 17 Personen je 100.000 Einwohner durch die eigene Hand.

Obwohl die Zahl der assistierten Suizide in der Wiesbadener Behörde nicht eigens ausgewiesen werden, gibt es Anzeichen dafür, dass auch die Zahl der assistierten Suizide stark gestiegen ist: Aktuelle Forschungsdaten am Beispiel Münchens zeigen, dass sie sich von 2020 bis 2022 annähernd vervierfacht hat. Fast in allen Fällen sei die Beihilfe durch Sterbehilfeorganisationen geleistet worden. „Die Daten legen nahe, dass der Anstieg der Suizide in Deutschland zumindest teilweise auf assistierte Suizide zurückzuführen ist“, erklärt Thomas Pollmächer, ehemaliger Präsident und Vorsitzender der Kommission „Ethik und Recht“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN).

Aus Sich von Pollmächer besonders beunruhigend: „In keinem der in München analysierten Fälle wurden Fachärzte oder Fachärztinnen für Psychiatrie hinzugezogen – nicht einmal bei Betroffenen, die psychisch erkrankt waren oder bereits zuvor versucht hatten, sich das Leben zu nehmen. Aus unserer Sicht ist das ein unhaltbarerer Zustand.“

Fachgesellschaft fordert gesetzliches Schutzkonzept

Die DGPPN fordere deshalb nachdrücklich eine gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe und wiederholt die Forderung nach einem legislativen Schutzkonzept. „Ein Gesetz zum assistierten Suizid muss sicherstellen, dass die Selbstbestimmungsfähigkeit der Betroffenen nicht durch eine psychische Erkrankung oder äußere Faktoren beeinträchtigt ist“, erklärt DGPPN-Präsident Andreas Meyer-Lindenberg. „Die Freiverantwortlichkeit der Entscheidung muss unbedingt kompetent beurteilt werden. Betroffene, deren Freiverantwortlichkeit eingeschränkt ist, müssen unverzüglich angemessene Hilfsangebote bekommen.“

Menschen mit psychischen Erkrankungen seien besonders durch Suizid gefährdet. Bis zu 90 Prozent aller Suizide ständen im Zusammenhang mit einer psychischen Erkrankung. Suizid und Suizidprävention seien deshalb zentrale Themen der Psychiatrie und Psychotherapie.  DT/reh


ACHTUNG: Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen, sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote, auch für vermeintlich aussichtslose Lebenslagen. Hier finden Sie eine Übersicht über sämtliche Hilfsangebote:
https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote/

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