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Suizid-Vorstoß: Von allen guten Geistern verlassen

Was von dem Vorstoß evangelischer Kirchenfunktionäre, assistierte Suizide in kirchlichen Einrichtungen zuzulassen, zu halten ist. Ein Kommentar.
Symbolbild zum Thema Sterbehilfe.
Foto: Martin Wagner via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Wer fordert Menschen, die sich mit Suizidgedanken plagen, derartige – im Grunde teuflischen – Angebote zu machen, ist nicht bloß von allen guten Geistern verlassen.

Man wüsste gerne, welche Drogen der Vorsitzende der Evangelischen Kammer für öffentliche Verantwortung der EKD, Reiner Anselm, und der Präsident der evangelischen Diakonie, Ulrich Lilie, da eingeworfen haben. Denn dass bei klarem Verstand sei kann, wer fordert, kirchliche Einrichtungen, sollten sich dem assistierten Suizid nicht nur nicht verweigern, sondern auch „abgesicherte Möglichkeiten“ eines solchen „in den eigenen Häusern“ anbieten oder zumindest „zulassen und begleiten“, ist kaum vorstellbar.

Ein teuflisches Angebot

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Wer fordert Menschen, die sich mit Suizidgedanken plagen, derartige – im Grunde teuflischen – Angebote zu machen, ist nicht bloß von allen guten Geistern verlassen. Er übernimmt gewissermaßen auch das Business der Suizidhelfer und bestätigt jenes tragische Unwert-Urteil, welches der Suzidiale über sein eigenes Leben fällt. Was bei suizidalen Menschen, die sich in einer schweren psychischen Krise befinden, verständlich und nachvollziehbar sein mag, ist es bei Außenstehenden nicht. Das weiß oder ahnt zumindest auch der Suizidale. Aus Sicht des Suizidalen verobjektiviert die Eröffnung einer Möglichkeit zum Suizid durch Dritte daher das eigene Unwert-Urteil.

Vorauseilender Gehorsam

Beinah noch schlimmer als die Forderung, von Anselm und Lilie, ist aber der Zeitpunkt. Der Gesetzgeber hat noch nicht einmal ein Konzept vorgelegt, das Menschen, die sich mit Suizidabsichten tragen, vor übereilten und irreversiblen Schritten, schützen soll, da buhlen Kirchenfunktionäre mit einem solchen Vorstoß um Schlagzeilen. Dass die Pandemie bedingte Isolation manchen Menschen gehörig aufs Gemüt schlägt, ist keine Neuigkeit. Aber wer hätte gedacht, dass sie gleich solche Blüten treibt?

Mehr noch: Wer in vorauseilendem Gehorsam das absurde Quasi-Grundrecht auf „selbstbestimmtes Sterben“, mit welchem das Bundesverfassungsgericht die Deutschen im vergangenen Jahr beglücken zu müssen meinte, auf solche Weise exekutiert, unterminiert zugleich die segensreiche Arbeit all jener, die sich in der Suizidprävention engagieren. Von Kirchenfunktionären darf man anders erwarten.

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Stefan Rehder

Kirche