Im Streit um die Zulassung und den Vertrieb der Abtreibungspille „Mifeprex“ hat der US-Supreme Court eine Entscheidung vertagt. Der Oberste Gerichtshof des Landes setzte am Mittwoch die Einschränkungen für die Pille im Zuge der jüngsten Urteile von nachrangigen Gerichten bis kommenden Freitag, 23.59 Uhr (Ortszeit), aus.
Damit bleibt das Präparat „Mifeprex“, das in Deutschland unter dem Handelsnamen „Mifegyne“ vertrieben wird, zunächst weiterhin erhältlich und darf bis zur zehnten Schwangerschaftswoche legal eingenommen werden. Zudem kann die Abtreibungspille weiterhin nach telemedizinischer Beratung verschrieben und auf dem Postweg versandt werden. Eine persönliche Untersuchung durch einen Arzt ist dafür nicht notwendig.
Frist um zwei Tage verlängert
Das juristische Tauziehen um die Abtreibungspille hat sich in den vergangenen zwei Wochen zugespitzt, nachdem am Karfreitag zunächst ein Bundesrichter aus Texas einer von mehreren Ärztevereinigungen angestrengten Klage stattgegeben und die Aufhebung der Zulassung der Abtreibungspille angeordnet hatte. Das US-Justizministerium wandte sich daraufhin an das zuständige Berufungsgericht in New Orleans. Das entschied, dass die Abtreibungspille zwar zugelassen bleibe, ordnete aber eine Rückkehr zu den Auflagen an, die die US-Arzneimittelbehörde FDA (Food and Drugs Administration) vor 2016 selbst erlassen, in den Folgejahren dann jedoch mehrfach gravierend liberalisiert hatte.
Die Regierung von US-Präsident Joe Biden wollte sich mit dem Urteil, das als Versuch eines Kompromisses zwischen beiden Seiten betrachtet werden kann, allerdings nicht zufrieden geben und stellte einen Dringlichkeitsantrag beim Obersten Gerichtshof. Daraufhin setzte der Oberste Richter Samuel Alito die Rechtsfolgen der zuvor erlassenen Gerichtsurteile bis Mittwoch, 23.59 Uhr (Ortszeit), aus. Diese Frist hat er nun um zwei weitere Tage verlängert.
Beobachtern zufolge lässt dieser Schritt des Supreme Courts darauf schließen, dass die Obersten Richter in der Bewertung des Falles gespalten sind. Die zwei zusätzlichen Tage könnten die Juristen nutzen, um weiteres Material zu sichten und dann zu einem Urteil zu kommen. Denkbar sind dabei mehrere Szenarien: Zum einen könnte der Oberste Gerichtshof entscheiden, dass sich am Status Quo, so wie er vor dem Urteil des texanischen Bundesrichters existierte, nichts ändert. Die Abtreibungspille wäre dann weiter relativ leicht erhältlich und könnte bis zur zehnten Schwangerschaftswoche legal eingenommen werden.
Drei mögliche Szenarien
Möglich ist aber auch, dass sich der Supreme Court dem Berufungsgericht von New Orleans anschließt und wieder verstärkte Auflagen für die Abtreibungspille einführt. Der weitreichendste Schritt wäre, wenn die Obersten Richter das ursprüngliche Urteil des texanischen Bundesgerichts wieder einsetzen und die Zulassung der Abtreibungspille aufheben würden. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich, da der Supreme Court bereits im vergangenen Jahr, nach seinem neuen Grundsatzurteil im Fall „Dobbs“, signalisiert hatte, dass in Zukunft auf legislativem Wege über die Abtreibungsfrage entschieden werden solle, nicht durch die Justiz. DT/mlu
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