Ein Asylantrag aufgrund eines Religionswechsels nach Verlassen des Herkunftslandes kann nicht automatisch als missbräuchlich abgelehnt werden. Das geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs hervor (Rechtssache C-222/22).
Konkret ging es um den Fall eines Iraners, der erstmals 2015 in Österreich Asyl beantragt hatte. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde abgelehnt. Bei einem Folgeantrag gab der Iraner an, mittlerweile zum Christentum konvertiert zu sein. Er fürchte, aus diesem Grund in seinem Herkunftsland verfolgt zu werden. Daraufhin wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und er erhielt eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Glaubhaft gemacht, aus "innerer Überzeugung" konvertiert zu sein
Die österreichischen Behörden glaubten dem Kläger. Er habe glaubhaft gemacht, aus „innerer Überzeugung“ in Österreich zum Christentum konvertiert zu sein und diese Religion aktiv zu leben. Aus diesem Grund sei er im Falle der Rückkehr in sein Herkunftsland der Gefahr einer individuellen Verfolgung ausgesetzt. Allerdings erhielt er keinen Flüchtlingsstatus, weil der Verfolgungsgrund noch nicht existierte, als der Mann im Iran lebte.
Die Richter in Luxemburg betonten jedoch, dass jeder Folgeantrag individuell geprüft werden müsse. In einer Erklärung des Gerichts heißt es weiter: „Wenn also, wie im vorliegenden Fall, festgestellt wird, dass der Betroffene glaubhaft gemacht hat, ,aus innerer Überzeugung' zum Christentum konvertiert zu sein und diese Religion aktiv zu leben, schließt dies aus, dass der Antragsteller eine Missbrauchsabsicht hegte oder beabsichtigte, das anwendbare Verfahren zu instrumentalisieren. Wenn ein solcher Antragsteller die in dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für eine Qualifizierung als Flüchtling erfüllt, ist ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.“
Werde hingegen festgestellt, dass eine missbräuchliche Absicht sowie eine Absicht vorliegen, das Verfahren zu instrumentalisieren, könne die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verweigert werden, obwohl die Furcht des Antragstellers, aufgrund der von ihm selbst geschaffenen Umstände in seinem Herkunftsland verfolgt zu werden, begründet sei. Die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention bleibe jedoch bestehen. Dem Betroffenen sei in diesem Fall der durch diese Konvention gewährleistete internationale Schutz zu gewähren. Er dürfe also nicht dorthin abgeschoben werden, wo ihm Verfolgung drohe. DT/chp
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.