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Iren stimmen gegen Verfassungsänderungen zu Frau und Familie

Entgegen Prognosen ist das Referendum zu Änderungen an der irischen Verfassung zur Rolle der Frau und zur Familie gescheitert.
Plakate für und gegen das Referendum zur Änderung der irischen Verfassung
Foto: Cillian Sherlock (PA Wire)

Bei zwei Referenden am 8. März über Änderungen der irischen Verfassung haben irische Wähler überraschend für „Nein“ gestimmt.  Bei einer Wahlbeteiligung von rund 45 Prozent stimmten die Iren zu 67,7 Prozent mit „Nein“ und 32,2 Prozent mit „Ja“. In allen Wahlkreisen bis auf Dún Laoghaire waren die „Nein“-Stimmen in der Überzahl. Die Wahlbeteiligung lag in den einzelnen Kreisen bei zwischen 39 und 51 Prozent. 

Noch vor der endgültigen Auszählung aller Stimmen am Samstagabend gab Taoiseach Leo Varadkar das Scheitern des Referendums bekannt. „Es war unsere Verantwortung, die Mehrheit der Menschen davon zu überzeugen, mit „Ja“ abzustimmen; und offensichtlich sind wir gescheitert“, so Taoiseach (Ministerpräsident) Leo Varadkar. 

Die Regierung hatte auf die Empfehlung eines Bürgerrats zur Geschlechtergleichstellung vorgeschlagen, die Definition der Familie von der Institution der Ehe zu trennen und stattdessen auf „andauernde Beziehungen“ zu gründen. Außerdem sollte ein Artikel, der die häusliche Arbeit von Müttern hervorhebt, gestrichen und Erziehung und Pflege stattdessen Familienangehörigen allgemein zugewiesen werden. Während Umfragen im Vorfeld eine Mehrheit an „Ja“-Stimmen nahelegten, zeigte sich bereits kurz nach Beginn der Stimmzählung, dass die Mehrheit der Iren mit „Nein“ abgestimmt hatte. 

Einen Tag vor der Abstimmung war ein zwölfseitiges Schreiben des irischen Generalstaatsanwaltes Rossa Fanning geleakt worden, in dem Fanning Formulierungen der Referenden teilweise als „juristisch unklar“ eingeordnet hatte. Auf den sozialen Medien war das Dokument sowohl von Befürwortern wie von Gegnern des Referendums geteilt worden. 

Roderic O'Gorman, Minister für Kinder und Integration, kündigte nach der Stimmenauszählung gegenüber dem irischen Nachrichtensender RTÉ eine Untersuchung des Leaks an. Laut dem Minister sei es „extrem frustrierend“, dass das Dokument am Tag vor der Abstimmung veröffentlicht worden war, „an einem Punkt der Kampagne, als man es nicht mehr richtig ansprechen konnte“. 

Minister O'Gorman zum Rücktritt aufgefordert

 Maurice Quinlivan, Abgeordneter der oppositionellen Partei Sinn Fein hatte O’Gorman, der maßgeblich an der Formulierung des Referendums beteiligt gewesen war, zum Rücktritt auf: „Das ist das katastrophale Scheitern einer Regierung, die in ihrer Arroganz auf niemanden gehört hat“, so Quinlivan. Laut dem Abgeordneten habe es im Vorfeld keine ausreichend gründliche Vorbereitung gegeben. Ivana Bacik, die Parteivorsitzende der oppositionellen „Labour Party“, kritisiert gegenüber dem Sender die „farblose Kampagne“ der Regierung, die für „Ja“-Stimmen geworben hatte. 

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Peadar Toíbín von „Aontú“ begrüßte das Ergebnis und bezeichnete das Referendum als eine „David-gegen-Goliath“-Kampagne. „Diese Änderungen hätten wesentliche Probleme mit sich gebracht“, so Toíbín gegenüber dem Nachrichtenportal „Gript Media“. Toíbín und seine Partei, die einzige Partei, die sich gegen die Referenden ausgesprochen hatte, warnten im Vorfeld der Wahlen, dass die Änderungen die Verantwortung für Pflege stärker auf Familien statt auf den Staat umlegen würde.

Kritik am Vorgehen der Regierung

Laut dem unabhängigen Senator und ehemaligem Tánaiste (irischer Vizeministerpräsident) Michael MCDowell hat die Regierung „die Stimmung der Wählerschaft falsch beurteilt“. McDowell hatte die geplanten Änderungen der Verfassung bereits im Vorfeld heftig kritisiert, insbesondere die Formulierung der „andauernden Beziehungen“, die die neue Grundlage für die legale Definition der Familie gebildet hätten. Das hätte, so „Lawyers for No“ in einer Stellungnahme, zu schweren Folgen unter anderem für das irische Erb-, Steuer- und Einwanderungsrecht geführt. Zusammen mit der Initiative „Lawyers for No“ hatte McDowell auch das Vorgehen der Regierung bei der Kampagne für die Referenden infrage gestellt. So hätten Medienvertreter und Minister zum Beispiel die Falschinformation verbreitet, dass die Verfassung behaupte, der Platz der Frau sei zuhause.  Auch hätte Minister O'Gorman Druck auf vom Staat unterstützte NGOs aufgebaut.

Die irische Verfassung erkennt aktuell die Familie als „natürliche erste und fundamentale Einheitsgruppe der Gesellschaft“ an, sowie als „eine moralische Institution, die unveräußerliche und unantastbare Rechte“ besitzt, die jedem Gesetz „vorausgeht und es übersteigt“. Die Verfassung erklärt weiter, dass der Staat sich dazu verpflichte, die Institution der Ehe, „auf die die Familie gegründet ist“, mit besonderer Umsicht zu bewahren und vor jedem Angriff zu schützen.

Ehe bleibt Grundbaustein für die Familie

Die Regierung hatte vorgeschlagen, einen Halbsatz einzufügen, sodass der Staat anerkennen würde, dass die Familie, „egal, ob sie auf die Ehe oder andere andauernde Beziehungen gegründet ist“, die grundlegende Einheit der Gesellschaft ausmache – entsprechend hätte dann die Formulierung, dass die Ehe der Grundbaustein für die Familie sei, aus der Verfassung gestrichen werden sollen.

Die zweite Änderung betrifft den Bereich der Pflege. So erkennt die irische Verfassung aktuell an, dass „die Frau durch ihr Leben im Zuhause dem Staat Unterstützung zukommen lässt, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann“. Deshalb ist es die Pflicht des Staates, sich darum zu bemühen, dass „Mütter nicht durch wirtschaftliche Notwendigkeit dazu verpflichtet werden“, außerhalb des Hauses zu arbeiten, damit sie ihren „Pflichten im Haus“ nachkommen können.

Beide Artikel hätten gestrichen und durch folgende Formulierung ersetzt werden sollen: „Der Staat erkennt an, dass die Bereitstellung von Pflege durch Familienmitglieder wegen ihrer gegenseitigen Verbundenheit dem Staat Unterstützung zukommen lässt, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann. Der Staat wird danach streben, diese Bereitstellung zu unterstützen.“ DT/sdu

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