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Der Schlüssel liegt jetzt in Teheran

Die Hisbollah schwört Rache für die Ermordung ihres Hamas-Gastes in Beirut. Letztlich aber hat der Iran die Hand an der Eskalationsschraube.
Hamas-Drahtzieher Saleh al-Arouri getötet
Foto: IMAGO/Bilal Jawich (www.imago-images.de) | In diesem Gebäude in der libanesischen Hauptstadt Beirut wurde der Hamas-Drahtzieher Saleh al-Arouri, der wichtigste Verbindungsmann zwischen Hamas und Hisbollah, durch einen mutmaßlich israelischen Angriff getötet.

Die gezielte Ermordung des Hamas-Drahtziehers Saleh al-Arouri, des wichtigsten Verbindungsmanns zwischen Hamas und Hisbollah, in der libanesischen Hauptstadt Beirut könnte den ohnehin fragilen Libanon noch tiefer in den Abgrund ziehen. Der Drohnenangriff trägt (anders als die mörderische Explosion im iranischen Kerman am Mittwoch) recht deutlich eine israelische Handschrift. Israel beeilte sich auch, die Liquidierung zu erklären und zu rechtfertigen, freilich ohne die Tat direkt zu gestehen.

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Israels Militärsprecher Daniel Hagari sandte eine klare Botschaft an die Hisbollah und an die Regierung des Libanon: Israels Kampf gelte weiter der Hamas. Im Klartext heißt das: Israel möchte seine ständigen Scharmützel mit der Hisbollah an der libanesischen Grenze keinesfalls zu einem echten Krieg ausweiten, will auch weder im Libanon einmarschieren noch einen zwischenstaatlichen Krieg führen. Die libanesische Regierung will all das auch nicht, doch die Staatlichkeit des Libanon ist mittlerweile völlig zerrüttet und desolat. Als hätte es dafür noch eines weiteren Beweises bedurft, erklärte die Regierung in Beirut, man verhandle mit der Hisbollah über deren Reaktion auf die Attacke.

Hisbollah entscheidet über Krieg und Frieden

Ob der Libanon selbst neuerlich zum Schlachtfeld wird, entscheidet also längst nicht mehr die Regierung des Landes, sondern letztlich die hier fest verankerte und hochgerüstete schiitische Terrormiliz Hisbollah, die bereits verkündete, die Tat werde nicht ungesühnt bleiben. Die Hisbollah spricht noch mit der Regierung in Beirut, aber sie entscheidet über Krieg und Frieden unabhängig von ihr. Alle Akteure jedoch wissen, dass die Hisbollah seit jeher vom Iran finanziert und gesteuert wird.

Unwahrscheinlich ist, dass Teheran seine Allzweckwaffe Hisbollah für das Überleben der sunnitischen Hamas opfert. Denkbar ist jedoch, dass die Machthaber in Teheran glauben, je nach Situation an der Eskalationsschraube drehen zu können: einmal rauf, dann wieder runter; einmal mittels der jemenitischen Huthis im Roten Meer, dann mittels der Hisbollah an der libanesisch-israelischen Grenze und vielleicht auch von syrischem Staatsgebiet aus. 

Die Macht dazu hätte der Iran, zumal die Vorbehalte gegen Israels Vorgehen im Gazastreifen nicht nur in Europa, sondern wahrnehmbar auch in den USA wachsen. Dabei sollte allein die Idee, dass der Schlüssel zu einer Ausweitung des Krieges in Teheran liegt, den gesamten Westen in Alarmbereitschaft versetzen.

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Stephan Baier Hamas Hisbollah

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