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Man liebt nun zweimal

In Daniel Craigs finalem 007-Streifen „Keine Zeit zu Sterben“ zeigt sich die britische Filmikone „Me Too“-konform. Doch manches wird sich trotzdem nicht ändern.
Kinostart - "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben"
Foto: Nicola Dove (Universal Pictures) | Daniel Craig als James Bond und Ana de Armas als Paloma in einer Szene des Films "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben".

„Lizenz zum Töten“: ja, „Lizenz zum Flachlegen“: nein – so kann man, salopp formuliert,  die Arbeitsplatzbeschreibung von James Bond in seinem jüngsten, am Donnerstag in den deutschen Kinos angelaufenen Filmabenteuer „Keine Zeit zu Sterben“ (eine ausführliche Tagespost-Rezension des neuesten 007-Streifens finden Sie hier) auf den Punkt bringen. Denn der beste Mann des MI:6, der sich coronabedingt mit weit über einem Jahr Verspätung zu seinem (zumindest in der Inkarnation von Daniel Craig) vorläufig letztem Leinwandspektakel zum Dienst zurückmeldet, hat dieses Mal nicht nur die Blofelds dieser Welt, sondern auch den Zeitgeist gegen sich. 

Goodbye Pussy – Hello Nomi

Denn dieser Zeitgeist sagt: Eigentlich ist dieser James Bond, dieser Geheimagent 007, ein Relikt aus einer  – aus Sicht des Zeitgeistes – hoffentlich bald dem Untergang geweihten Welt, in der toxische Mannsbilder sich neben einem gut gemixten Drink auch noch das Recht meinten herausnehmen zu dürfen, anschließend noch eine oder am besten gleich mehrere aufreizende Frauen zum Dessert vernaschen zu dürfen.

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Aus dieser Welt der dem Charme von 007 jedes Mal todsicher erliegenden Bond-Girls, die in der Tat in den vergangenen Jahrzehnten meist mehr Gemeinsamkeiten mit Playmates als mit ernstzunehmenden, gleichberechtigten weiblichen Persönlichkeiten an den Tag legten, ist Daniel Craig herausgewachsen. Weder beglückt er seine weiblichen Counterparts mit Sprüchen wie „ein bezaubernder Hauch von Nichts, den Sie fast anhaben“ wie Sean Connery in „Diamantenfieber“ oder „ich habe Sie gar nicht erkannt – in Ihren Kleidern“ wie Roger Moore in „Der Mann mit dem Goldenen Colt“ noch tragen die selbstbewussten Bond-Girls im neuesten Film Namen wie Pussy Galore, Holly Goodnight oder Plenty O’Toole - stattdessen muss der Doppelnullagent mit Madeleine, Nomi und Paloma vorliebnehmen.

James Bond: ein „Vergewaltiger“?

Ausgerechnet der Regisseur von „Keine Zeit zu sterben“, Cary Fukunaga („True Detective“, „Jane Eyre“, „Beasts of no Nation“), sagte kürzlich in einem Interview mit dem „Hollywood Reporter“, dass der James Bond, wie ihn Sean Connery seinerzeit verkörperte, „im Grunde genommen ein Vergewaltiger“ gewesen sei. Vor allem bei einer Szene im 60er-Jahre-Klassiker „Feuerball“ aber auch in anderen Filmen, so Fukunagas Vorwurf, sei Bonds Frauenbild und sein Umgang mit dem anderen Geschlecht aus heutiger Sicht mehr als fragwürdig zu beurteilen, sagte Fukunaga in dem Gespräch. Dem wollte er in „Keine Zeit zu sterben“ entschieden entgegenwirken, so Fukunaga.

Doch Hand aufs Herz: Auch für die neuen, selbstbewussten und emanzipierten Bond-Girls wurden nicht Conchita Wurst und Co. zum Casting eingeladen, sondern Schönheiten wie Lea Séydoux und Ana de Armas. Und auch in Zukunft wird das bereits seit 60 Jahren bestehende Franchise nicht alle Gewohnheiten über Bord werfen: Denn Produzentin Barbara Broccoli hat beispielsweise mit Blick auf die Nachfolge von Daniel Craig in der Vergangenheit in Interviews immer wieder deutlich gemacht, welche Anforderungen optisch für einen Bond-Darsteller gelten müssen: „Er kann jede Hautfarbe haben, aber er ist männlich“, sagte sie dem US-Branchenblatt „Variety“. Zeitgeist hin oder her.

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