Aus dem Stand von null auf Platz 2 der US-Billboard-Single-Charts – was sonst normalerweise nur Megastars wie Taylor Swift oder Beyoncé in puncto Erstürmung der sogenannten „Hot 100“ gelingt, erreichte nun ausgerechnet ein Countrysänger. Sein Name: Jason Aldean – und der Songtitel lautet: „Try That In A Small Town“.
Alter Hase, großer Überraschungshit
Aldean ist beileibe kein Newcomer mehr im Musikgeschäft: 2005 erschien sein selbstbetiteltes Debütalbum – und seit beinahe zwei Jahrzehnten gehört der bereits mehrfach mit Platin ausgezeichnete Musiker neben Chris Stapleton, Luke Combs oder Morgan Wallen zu Amerikas erfolgreichsten halbwegs jungen Countrysängern. Doch der Erfolg seines neuesten Songs, der als Vorbote seines mittlerweile 12. Albums fungiert, stellt alle von Aldeans bisherigen Erfolgen in den Schatten.
Denn sein Lied wurde alleine zwischen dem 14. und 20 Juli beinahe 12 Millionen mal sowohl als Audioversion als auch als Video gestreamt – und die digitalen Songverkäufe explodierten in diesem Zeitraum regelrecht von 1 000 auf 228.000 Stück. Was ist der Grund?
Der Song hat seine Gegner und Befürworter
Das im Stil einer hymnischen Power-Ballade gehaltene „Try That In A Small Town“ verweist textlich auf die angeblich gewalttätigen Zustände in US-Großstädten, die Aldean zufolge im Chaos versinken. „Jemanden auf der Straße schlagen/einer alten Dame das Auto an einer roten Ampel stehlen/einem Kioskbesitzer eine Waffe ins Gesicht halten/Du glaubst wohl, das ist cool“, singt Aldean, um dann im Refrain betont breitbeinig zu singen: „Versuche das mal in einer Kleinstadt“.
Während manche Kritiker dem Song eine Verherrlichung von Selbstjustiz oder gar Rassismus vorwerfen – was Aldean auf Twitter entschieden zurückweist und seinerseits als „gefährlich“ bezeichnet – trifft das Lied wiederum bei anderen Menschen einen Nerv: Auf seinem YouTube-Kanal äußern sich viele Zuschauer seines Videos zu „Try That In A Small Town“ positiv – und unter den Kommentatoren sind auch zahlreiche Afroamerikaner zu finden, die Aldeans Sicht der Dinge zustimmen sowie Personen, die sich eigentlich als Befürworter der "Homo-Ehe" und Bürgerrechten betrachten.
Video an umstrittenen Ort gedreht
Noch umstrittener ist jedoch das Video selbst: Denn neben ins Video eingeschnittenen Aufnahmen von Überwachungskameras, die Überfälle und Prügeleien, eine brennende amerikanische Flagge oder eine Frau, die einen Polizisten anspuckt, zeigen, ist es vor allem der Drehort, der für Entrüstung sorgt.
Denn der Videoclip wurde vor dem Maury County Courthouse in Columbia, Tennessee gedreht – und dort kam es im November 1927 zu einem Lynchmord: Ein junger Schwarzer namens Henry Choate wurde beschuldigt, ein 16-jähriges weißes Mädchen belästigt zu haben. Ein Mob aus mehreren hundert Männern entführte ihn zunächst aus einer Gefängniszelle und erhängte ihn schließlich an einem Fenster des Gebäudes. Dass der Lynchmord dort stattfand, ist unstrittig – auch 1946 gab es vor genau diesem Gebäude Rassenunruhen.
Fans betrachten Kritik an „Try That In A Small Town“ als Cancel Culture
Jason Aldean wird vorgeworfen, den Ort bewusst als Schauplatz für sein Video ausgewählt zu haben. Doch wie verhält es sich wirklich mit der Auswahl des Drehortes? War es Unwissenheit? Zufall? Oder doch bewusste Provokation? So oder so hat die Kontroverse um das Video dazu beigetragen, „Try that In A Small Town“ größtmögliche Aufmerksamkeit zu bescheren – sowie außerdem aufgrund der teilweise massiven Kritik unter Countryfans Solidarisierungseffekte und Trotzreaktionen hervorzurufen.
Auch die US-Republikaner haben den Song für sich entdeckt: So haben die Präsidentschaftskandidaten Vivek Ramaswamy und Nikki Haley begonnen, das Lied bei ihren Wahlkampfveranstaltungen zu spielen – Ramaswamy will nach eigenen Angaben sogar dabei helfen, dass „Try That In A Small Town“ auf Platz 1 der Charts gelangt. Ein Vorhaben, das nicht ganz aussichtslos erscheint – und so einige Wahrheiten über die wahre innere Verfasstheit der Vereinigten Staaten von Amerika aufdecken würde. DT/sta
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