Das Porto für normale Briefe wird ab dem neuen Jahr voraussichtlich 95 Cent betragen – denn ein 10,5 prozentiger Preis-Erhöhungsspielraum wurde der Deutschen Post bewilligt. Den hätte sie sich, so berichteten verschiedene Medien, sogar noch größer gewünscht. Denn er stehe nicht im Verhältnis zur Kostensteigerung, welche aktuell von der stark gesunkenen Briefmenge und sonstigen inflationsbedingten Mehrausgaben verursacht werde. Die Post reagierte darum enttäuscht. Im Vergleich zu anderen EU-Staaten sei das deutsche Briefporto niedrig, argumentiert sie. Im europäischen Ausland koste ein Standardbrief im Schnitt 1,46 Euro, etwa 70 Prozent mehr als in Deutschland.
Vor dem Hintergrund noch rückläufigerer Sendungsmengen im Ausland hinkt dieser Vergleich allerdings. Denn im „Land der Dichter und Denker“ schreibt man immer noch mehr Briefe als anderswo. Der Brief ist ab dem 18. Jahrhundert das soziale Medium schlechthin gewesen. Lieblingsthema war damals „Krankheit und Gesundheit“, wie aus einer Studie der TU Berlin hervorgeht. Dem gegenüber stehen heute die unzähligen Internetportale, auf denen man sich über dieselben Themen austauscht. Briefe zu schreiben, hatte in der damaligen Alltagskultur einen ähnlichen Stellenwert wie heutzutage WhatsApp. Ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Kommunikationskanälen: der Zeitfaktor. Im Minutenabstand erhalten wir vom Handy Geräusche oder Vibrationen, als Ankündigung von Nachrichten. Früher musste man, war der Brief abgeschickt, tage- oder wochenlang auf Antwort warten. Ein Brief hat damit deutlich mehr emotionale Fallhöhe als das Öffnen einer WhatsApp-Nachricht.
95 Prozent der Briefe erst nach drei Werktagen zugestellt
Die gute Nachricht für rigorose Briefeschreiber: Diese emotionale Fallhöhe – wie Germanisten sagen würden – wird offenbar sogar künftig zunehmen, dank der verlangsamten Zustellung von Briefen ab 2025. Denn dann muss die Post nicht mehr 80 Prozent der Briefe schon am nächsten Werktag zustellen. Vielmehr müssen 95 Prozent einer neuen staatlichen Vorschrift zufolge erst am dritten Werktag da sein. Zumindest Kondolenzschreiben und Gratulationen sollte man nicht digital versenden. Völlig unangemessen, findet vor allem die ältere Generation. „Der Brief ist eben ein Medium, in dem man die eigenen Gefühle sehr stark darstellen kann“, sagt die Germanistin Jana Kittelmann.
Nicht gemeint ist dabei wohl die der Kategorie „Kommunikation zwischen natürlichen und juristischen Personen“ zuzuordnende Post. 2023 machte sie etwas weniger als die Hälfte der 12,5 Milliarden von der DHL-Gruppe überbrachten Briefe aus. Das mag immer noch nach viel klingen, aber das Briefgeschäft geht unweigerlich zurück. Vor 20 Jahre waren es zum Beispiel noch 18 Milliarden versandte Briefe. Angestiegen sind dagegen die Paket-Sendungen, was auf die erhöhte Nachfrage im Online-Handel zurückzuführen ist. Wer schreibt also noch einen Brief? Weihnachten ist ein guter Anlass – gerade in diesem Jahr, kurz vor der Portoerhöhung. Hinsichtlich Lieferungszeit kann man jedoch fast genauso gut ein Paket abschicken, denn Briefe reisen vor den Feiertagen kaum schneller als Päckchen, warnte der NDR kürzlich.
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