Der Moraltheologe Franz-Josef Bormann äußert gegenüber der Tagespost in Bezug auf die umstrittene Corona-Impfung des Augsburger Bischofs, Bertram Meier, die Ansicht, dass nur für Seelsorger, die in Vollzeit in Pflegeeinrichtungen aktiv sind, die gleiche Impfberechtigung wie für medizinisches und pflegerisches Personal gelte.
Brysch: Meiers Rechtfertigung wenig überzeugend
Der Status von Seelsorgern im Blick auf den gestaffelten Zugang zur Impfung ließe sich nicht generell bestimmen, so Bormann, der an der Universität Tübingen lehrt und auch Mitglied im deutschen Ethikrat ist. Für Seelsorger der kategorialen Seelsorge, die praktisch Vollzeit in diesen Einrichtungen arbeiten würden, gelte aber dasselbe, was auch für das medizinische und pflegerische Personal gilt. Seelsorger, die dagegen nur sporadisch in solchen Einrichtungen tätig seien, hätten demgegenüber keinen Anspruch auf prioritäre Impfung. Wie viel Zeit Bischof Meier dort verbringe oder ob andere Gründe, beispielsweise Vorerkrankungen für eine frühere Impfung sprächen, könne Bormann nicht sagen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hatte Bischof Meiers Rechtfertigung als wenig überzeugend kritisiert. Gottesdienste in Pflegeeinrichtungen zu feiern, sei keine medizinische oder pflegerische Betreuung im Sinne der bundesweit geltenden Corona-Impfverordnung. Sonst müssten alle Seelsorgerinnen und Seelsorger mit höchster Priorität geimpft werden. Brysch erwarte, dass der Bischof wenigstens rückwirkend für die vergangenen drei Monate glaubhaft darlege, dass er mindestens dreimal in der Woche Bewohner in Heimen persönlich betreut, gepflegt oder medizinisch versorgt habe.
Bischof Meier am Samstag in Seniorenheim geimpft
Nachdem der Bischof sich am Samstag in einem Seniorenheim der Caritas gegen das Corona-Virus hatte impfen lassen, warf der Grünen-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann dem Bischof "Impfdrängelei" und eine „nicht tragbare Ich-zuerst-Mentalität“ vor. In einer Pressemitteilung des Bistum Augsburg hieß es dann, der Bischof falle laut Bayerischer Impfverordnung vom 14. Januar 2021 unter die Kategorie derer, die regelmäßig in Einrichtungen der Langzeitpflege, teilstationären Einrichtungen und in ambulant betreuten Wohngemeinschaften zugegen sind. Dieser Passus ziele genauso wie auf Reinigungskräfte, die regelmäßig in Pflegeeinrichtungen putzen müssten, auf Seelsorger ab, die regelmäßig vor Ort seien, um Heilige Messen zu feiern oder Krankensalbungen zu spenden – ein Dienst, der in Pandemiezeiten besonders gefragt sei.
Auf die Frage, ob Bischöfe als Vorbilder fungieren und sich so früh wie möglich impfen lassen sollten oder besser anderen den Vortritt gewähren sollten, antwortete Bormann: „Bischöfe sollten durchaus dafür werben, sich impfen zu lassen, da dies ein solidarischer Akt ist, der dem Menschen als Sozialwesen sehr angemessen ist; sie sollten sich aber nicht beim Impfen vordrängeln, in der irriger Auffassung, dies sei als Werbung für das Impfen zu rechtfertigen.“ DT/vwe
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