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Kommentar um "5 vor 12": Der Fluch der bösen Tat

Das Bistum Eichstätt versucht zu ermitteln, ob es bei homosexuellen Umtrieben im Vatikan um ein kriminelles Vergehen ging. Und die BILD-Zeitung schlägt daraus Kapital.
Bistum Eichstätt
Foto: Armin Weigel (dpa) | Die BILD-Zeitung lenkt seit geraumer Zeit den Verdacht, wer die eigentlichen schwarzen Schafe sind, in eine ganz bestimmte Richtung.

Ein deutscher Priester wirft einem hochgestellten Kleriker aus dem Bistum Eichstätt vor, ihn in der Zeit, als beide in den Diensten des Vatikan standen, sexuell bedrängt und genötigt zu haben. Das vermeintliche Opfer hat Anzeige bei der Ingolstädter Staatsanwaltschaft erstattet, und auch das Bistum Eichstätt hat eine kanonische Voruntersuchung gestartet. Beide, Staatsanwaltschaft und Bistum, sind dabei, die erhobenen Vorwürfe auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, um dann zu entscheiden, ob ein rechtliches Verfahren gegen den Beschuldigten zu eröffnen ist. Kein leichtes Unterfangen, denn bei den beiden Priestern handelte es sich zur Tatzeit in den Jahren unmittelbar zu Beginn dieses Jahrhunderts um zwei erwachsene Männer. Und da liegt die Messlatte für ein strafrechtlich relevantes Vergehen wesentlich höher als etwa beim Missbrauch minderjähriger Schutzbefohlener. 

Ein Anwalt profiliert sich

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Dennoch lenkt die BILD-Zeitung seit geraumer Zeit den Verdacht, wer die eigentlichen schwarzen Schafe sind, in eine ganz bestimmte Richtung. Schon im Oktober vergangenen Jahres vermeldete das Boulevardblatt in großer Aufmachung: „Schwere Vorwürfe gegen den deutschen Papst. Hat Papst Benedikt Sextäter im Vatikan gedeckt?“ Und der Münchner Anwalt des Beschuldigers, der Strafrechtler Alexander Stevens, schlägt in die gleiche Kerbe. Vor einer ersten Anhörung im kirchlichen Verfahren, das gestern in Eichstätt stattgefunden hat, ließ er in einer breit gestreuten Presseerklärung wissen: „Angesichts der Tatsache, dass es sich bei dem mutmaßlichen Opfer um einen Priester aus dem engsten Kreis Papst Benedikts handelt (mein Mandant hat immer wieder auf Bitten des Privatsekretärs Georg Gänswein Papst Benedikt  XVI. bei der Zelebration der heiligen Messe in seiner Privatkapelle geholfen), sowie des Umstandes, dass eine Vielzahl der sexuellen Übergriffe im Apostolischen Palast stattfanden, wo der Papst und sein Kardinalstaatssekretär wohnen, dürfte das Verfahren in Eichstätt von erheblicher Brisanz sein.“

Der Staatsanwalt eröffnet kein Verfahren

Natürlich war auch BILD-TV gestern in Eichstätt vertreten und verbreitete ein Video, in dem ein Redakteur des Blattes Anwalt Stevens die Gelegenheit gab, seine Sicht der Dinge zu verbreiten. BILD moderiert ein kanonisches Verfahren und nimmt das Ergebnis schon vorweg: Im Vatikan trieb ein (homosexueller) Sextäter sein Unwesen und der deutsche Papst hat das gedeckt. Doch die Tatsache, dass die Ingolstädter Staatsanwaltschaft dieselbe Anklage seit über einem Jahr prüft, ohne bisher ausreichend Stoff für die Eröffnung eines Verfahrens gegen den vermeintlichen Sextäter finden zu können, sollte jeden davor warnen, allzu früh mit Vorverurteilungen zu kommen. Sollen die Ermittler ihre Arbeit tun. Eine völlig einseitige Moderation der Angelegenheit durch ein Boulevardblatt ist so überflüssig wie ein Kropf.

Ausführliche Hintergründe zu dem Fall erfahren Sie in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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