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Eine Moskauer Intrige

Das „dritte Rom“ begehrt gegen Konstantinopel auf: Moskau untergräbt die Autorität des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios seit Jahren mit konstanter Intrige.
Bartholomaios I.
Foto: Sedat Suna (EPA) | Der zentrale Vorwurf Moskaus lautet, Bartholomaios maße sich eine „päpstliche Macht, wie es sie in der römisch-katholischen Kirche gibt“ an.

Wer die tragische Seite bischöflicher Synodalität in Echtzeit beobachten will, verfolge die seit 2016 anschwellenden Attacken des russisch-orthodoxen Patriarchates auf den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios. Dieser ist – liturgisch und historisch belegbar – unter den Hierarchen der globalen Orthodoxie der „Erste“ und Ehrwürdigste. Und doch untergräbt Moskau seine Autorität seit Jahren mit konstanter Intrige. Bereits vor dem Konflikt über die Jurisdiktion in der Ukraine boykottierte Moskau das jahrzehntelang vorbereitete Panorthodoxe Konzil. Seit dem Ukraine-Streit desavouiert es Bartholomaios als Marionette ukrainischer und amerikanischer Interessen, unterstellt ihm Machtgier und Käuflichkeit: ebenso halt- wie bodenlose Verleumdungen, wie jeder bestätigen kann, der den demütigen Kirchenführer jemals erlebt und sein Wirken beobachtet hat.

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Metropolit Hilarion erhebt Vorwürfe

Der zentrale Vorwurf Moskaus lautet, Bartholomaios maße sich eine „päpstliche Macht, wie es sie in der römisch-katholischen Kirche gibt“ an. Der machtbewusste Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion Alfejew, pflegt dieses Narrativ. Nun hat er es mit zwei weiteren Vorwürfen kombiniert: Konstantinopel habe durch diesen Kurs die weltweite Orthodoxie gespalten und den katholisch-orthodoxen Dialog in eine Sackgasse geführt, behauptet er.

Beide Thesen sind einzig und allein für den stichhaltig, der den Patriarchen von Moskau anstelle von Bartholomaios als Mittelpunkt und Sprecher der weltweiten Orthodoxie betrachtet. Denn Moskau hat einseitig mit Konstantinopel gebrochen, hat dem Boykott des gemeinsamen Konzils der 14 orthodoxen Kirchen Gewicht gegeben, geht im ökumenischen Dialog separate (und zögerliche) Wege. Nicht Konstantinopel, sondern Moskau stellt die Machtfrage – auf eine überaus politische Weise, fernab des kirchlichen Denkens.

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Stephan Baier

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