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Franziskus sollte auf die ukrainischen Bischöfe hören

Spät aber doch rückte der Papst nun zurecht, was er an Unbedachtem über das „große Russland“ und seine Zaren sprach.
Papst Franziskus stellt Äußerungen zu Russland klar
Foto: IMAGO/ABACA (www.imago-images.de) | Franziskus räumte ein, dass seine Worte über Zar Peter I. und Zarin Katharina II. „vielleicht nicht glücklich waren“, aber ihm sei eben in den Sinn gekommen, was er in der Schule so gelernt habe.

Wirklich entschuldigt hat sich Papst Franziskus für seine Worte über das „große Russland“ und seine Zaren ja nicht, aber er hat zumindest klargestellt, was er sagen wollte und wie er nicht interpretiert werden will. Es sei ihm um das kulturelle Erbe gegangen, nicht um einen imperialen Anspruch, so der Papst. Franziskus räumte ein, dass seine Worte über Zar Peter I. und Zarin Katharina II. „vielleicht nicht glücklich waren“, aber ihm sei eben in den Sinn gekommen, was er in der Schule so gelernt habe.

Der Papst spricht oft, wie ihm der Schnabel gewachsen ist

Halten wir fest: Was wir in der Schule so gelernt haben, reicht bei weitem nicht aus, um die Weltlage von heute zu verstehen, zu bewerten und zu kommentieren. Das gilt für den Papst, für Politiker, Diplomaten, Militärexperten, Journalisten und letztlich für alle. Zweitens: Auch Päpste sind hinsichtlich historischer Fakten und aktueller Sensibilitäten nicht unfehlbar. Gerade deshalb sollte sich Papst Franziskus auf die Expertise der vatikanischen Diplomatie und die Sachkenntnis der örtlichen Bischöfe und Nuntien stützen, statt seinen spontanen Assoziationen freien Lauf zu lassen.

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Der Papst aus Argentinien spricht oft und gerne, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das hat häufig etwas Erfrischendes, baut Brücken zu Jugendlichen und einfachen Leuten, denen die theologische Sprache nicht vertraut ist. Doch derzeit führt Russland einen Krieg gegen die Ukraine, und in dieser propagandistischen, emotionalisierten, politisierten Gemengelage wird jedes Wort des Papstes auf die Goldwaage gelegt. Es musste Franziskus klar sein, dass seine an junge russische Katholiken gerichteten Worte auch von der russischen Staatspropaganda und von der ukrainischen Zivilgesellschaft unter die Lupe genommen werden. Dafür jedoch waren sie zu spontan, zu unbedacht, zu wenig reflektiert.

Franziskus wollte dem russischen Imperialismus nicht das Wort reden

Mit gehöriger Verzögerung hat Franziskus nun klargestellt, was er sagen wollte: dass die jungen Russen ihren Großeltern zuhören und das kulturelle Erbe ihres Landes hochschätzen sollen. Und er hat auch klar gemacht, dass er keineswegs dem russischen Imperialismus das Wort reden wollte, weil er jeden Imperialismus und jegliche Ideologisierung der Kultur ablehnt. Nicht alle Ukrainer werden die Sache damit abhaken, dafür klang das ursprüngliche Statement des Papstes zu sehr nach großrussischer Propaganda.

Umso erfreulicher, dass der Papst den griechisch-katholischen Bischöfe aus der Ukraine schon bald eine einstündige Audienz gewährt. Da wird er ihnen zuhören, wie Großerzbischof Schewtschuk bereits verriet. Papst Franziskus sei „ein großer Meister des Zuhörens“, meinte er am Montag in seiner Predigt zur Eröffnung der Bischofssynode seiner Kirche in Rom. Die aus der Ukraine angereisten Bischöfe können dem Papst viel vom Leid ihrer Gläubigen und aller Ukrainer, über den tagtäglichen Raketen- und Drohnenterror, über die spirituellen und humanitären Herausforderungen ihrer Kirche erzählen – und auch über die Lügenpropaganda und Desinformation aus der Kreml-Küche.

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Stephan Baier Bischof Katholikinnen und Katholiken Papst Franziskus Peter der Große Päpste

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