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Die Borgia-Päpste: Alles für die Familie

Die skrupellose Machtpolitik Alexanders VI.: Der Aufstieg der Familie Borgia – Teil 2.
Pinturicchios "Die Auferstehung",  mit Papst Alexander VI., 1492-1495.
Foto: IMAGO/? Fine Art Images/Heritage Images (www.imago-images.de) | Mit der katholischen Glaubenslehre hatte Alexander VI. keine Schwierigkeiten. Der Künstler und Zeitgenosse Pinturicchio (1454-1513) malte ihn andächtig kniend vor einer Darstellung der Auferstehung Christi.

Zu den ältesten schriftlich überlieferten Dichtungen der Menschheitsgeschichte gehört das Gilgamesch-Epos, das bis ins 18. vorchristliche Jahrhundert zurückreicht und in dem der Held Gilgamesch, ein sumerischer König, in seinen Taten und in seiner Suche nach Unsterblichkeit dargestellt wird.

Heldentaten, Krieg und Machtgebaren spielen auch im etwa tausend Jahre jüngeren Werk des griechischen Schriftstellers Homer eine zentrale Rolle. Und selbst in der Gegenwartsliteratur beweist der vielfach gerühmte Roman „Unter der Drachenwand“ von Arno Geiger, dass Krieg und (Anti-)Helden immer noch überaus aktuell sind, erleben wir doch gerade in der Gegenwart wieder, welch großen Einfluss das Machtstreben Einzelner auf die Lebensbedingungen ganzer Völker hat.

Zeitalter des päpstlichen Machtkalküls

Vor diesem Streben, das die Jahrtausende der Menschheit durchzieht, waren auch Päpste nicht gefeit. Wenngleich das Papstamt nach der Eroberung des einstigen Kirchenstaates durch den italienischen König Viktor Emanuel II. im Jahre 1870 seinen weltlichen Herrschaftsbereich verlor und deshalb zur heute vielfach anerkannten moralischen Instanz werden konnte, waren die vorangegangenen Jahrhunderte allzu oft auch von päpstlichem Machtkalkül geprägt gewesen. Dass dies in besonderem Maße auch auf den zweiten Borgia-Papst, Alexander VI., zutrifft, liegt auf der Hand, entstammte er doch einer Familie, die sich den gesellschaftlichen Aufstieg zum Ziel gesetzt hatte und dieses Ziel unbeirrbar und skrupellos verfolgte.

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So war Rodrigo de Borja im Zuge der Vetternwirtschaft seines Onkels, Papst Calixt III., bereits in jungem Alter nach Rom gekommen. Mit gerade einmal 25 Jahren war er zum Kardinal erhoben und ein Jahr später (1457) zum Vizekanzler ernannt worden. Anders als sein Onkel Alonso, der 1455 zum Papst gewählt worden war und sich – abgesehen vom Nepotismus – tatsächlich in tugendhafter Enthaltsamkeit und Bescheidenheit geübt hatte, schien der wohl 1431 geborene Rodrigo wenig vom allzu frommen Lebensstil zu halten. So unterhielt er nicht nur eine langjährige Beziehung zur römischen Adligen Vanozza de Catanei, sondern zeugte mit ihr auch vier Kinder, die er allesamt öffentlich als seine leiblichen Kinder anerkannte. Wie sein Onkel verstand er es, die eigene Familie in gesellschaftlich hohe Ämter zu bringen.

Vetternwirtschaft und Simonie

Dass er selbst bereits durch die Vetternwirtschaft des ersten Borgia-Papstes zu gesellschaftlichem und finanziellem Einfluss gelangt war, beweist die Tatsache, dass er sich die Wahl zum Papst im Jahre 1492 erkaufte. So machte er sich nicht nur des Nepotismus' schuldig, sondern auch der Simonie. An die Öffentlichkeit gelangte sein Verhalten dadurch, dass er die zahlreichen Versprechungen, die er seinen Wählern im Konklave gemacht hatte, nicht einhielt und diese aus dem Kauf des Papstamtes kein Geheimnis mehr machten. Durch die Annahme der Wahl war Rodrigo de Borja 1492 jedoch rechtmäßig zu Papst Alexander VI. geworden; dass er bei seiner Namenswahl den Gegenpapst Alexander V. mitgezählt hatte, bleibt eine Randnotiz der Geschichte. Der gewählte Name selbst untermauerte seinen Machtanspruch, war er doch eine Anlehnung an Alexander den Großen.

In seiner Amtsführung gab es zwei Hauptaspekte, die einer differenzierten Betrachtung bedürfen. Der Historiker W. Eberhard benennt die beiden Interessenschwerpunkte Alexanders VI. wie folgt: „Inneres Gleichgewicht und Einflußbeschränkung der Großmächte bezüglich Italiens und seine Familienpolitik standen im Vordergrund des Pontifikats.“

Doch griffe eine Unterscheidung zwischen dem Borja-Papst als Politiker einerseits und dem Familienmensch andererseits zu kurz; denn die Päpste der Zeit waren bekanntlich nicht nur geistliches Kirchenoberhaupt, sondern auch weltlicher Herrscher. Daher lag es im Interesse Alexanders VI., seinen Herrschaftsanspruch zu sichern, um gerade dadurch die Macht der Familie auf lange Sicht zu festigen. So schloss er sich 1495 politisch mit König Ferdinand II. von Aragón, König Maximilian I., dem Herzogtum Mailand und der Republik Venedig zur Heiligen Liga zusammen, um sich König Karl VIII. von Frankreich entgegenzustellen; denn dieser hatte sich mit seinen Soldaten bereits von Norden siegreich bis nach Neapel vorgekämpft, wo er im selben Jahr als König eingesetzt worden war.

Von der Heiligen Liga zur Kooperation mit Frankreich

Trotz größerer Verluste in den eigenen Reihen gelang es der Heiligen Liga, Karl VIII. zum Rückzug zu zwingen. Dass es Alexander VI. dabei immer auch um die eigene Macht ging, wird darin deutlich, dass er sich nur vier Jahre später (1499) mit Ludwig XII. von Frankreich, dem direkten Nachfolger Karls VIII., verbündete, der seinerseits gegen das Herzogtum Mailand – den vormaligen Verbündeten Alexanders VI. – zu Felde zog. Dabei brachte der Zusammenschluss für beide Seiten Vorteile mit sich. Während der französische König durch die Entscheidung Alexanders VI. seine kinderlose Ehe mit Jeanne de France annullieren lassen und die Witwe Karls VIII., Anne de Bretagne, ehelichen konnte, erhielt der Sohn des Papstes, Cesare Borgia, als Lehen das Herzogtum Valentinois in der Provence und große Einkünfte in Gold.

Das Verhalten des Papstes war auch damals nicht unumstritten. So zog er durch seine politischen Entscheidungen und seinen wenig geistlichen Lebenswandel beispielsweise die Kritik des bekannten Dominikanermönchs Girolamo Savonarola auf sich, weshalb er den unbequemen Kritiker kurzerhand exkommunizierte.

Wenngleich die Politik im Pontifikat Alexanders VI. eine große Rolle spielte und sein Lebenswandel nicht gerade vom Evangelium und der Lehre der Kirche geleitet war, kam es in seinen elf Amtsjahren andererseits auch nicht zu nennenswerten Änderungen dieser Lehre. Fast scheint es, als dass der Borgia-Papst durch Politik und Familie derart ausgelastet war, dass er sich nicht auch noch theologischer Fragestellungen annehmen konnte.

Förderer der Kunst

Was er jedoch sehr wohl im Blick hatte, war die Förderung der Kunst. Zwar ließ er vor allem die eigenen Gemächer im Vatikan renovieren und künstlerisch ausgestalten, was wohl in erster Linie seinem Streben nach Macht und Ansehen geschuldet war; und doch entstanden dadurch die auch heute noch zu bestaunenden Borgia-Gemächer mit Fresken des Renaissance-Malers Pinturicchio, die unter anderem auch Alexander VI. selbst zeigen. Auch die Entstehung eines weiteren Kunstwerks fällt in die Zeit seines Pontifikats: die Pietà Michelangelos. Auch wenn diese nicht von Alexander VI. in Auftrag gegeben worden war, fällt ihre Entstehung in die Vorbereitungen des großen Heiligen Jahres 1500, dessen Vorbereitung der Borgia-Papst vorantrieb.

Vor allem konzentrierte er sich dabei neben den Borgia-Gemächern im Vatikan auf die Beauftragung bedeutender Fresken in der Engelsburg, die jedoch heute nicht mehr erhalten sind. Dabei war Pinturicchio nicht der einzige Künstler in den Diensten des Borgia-Papstes. So wurde beispielsweise die Gestaltung der Kassettendecke in der Kirche Santa Maria Maggiore von Alexander VI. in Auftrag gegeben und vom Bildhauer Giuliano da Sangallo und seinem Bruder Antonio ausgeführt. Auch hier wurde die Arbeit – deutlich erkennbar – mit dem Stier-Wappen des Papstes versehen.

Alexander VI. wusste folglich genau, was er tat, um die Macht und das Ansehen seiner Familie zu vergrößern. Dies zeigte sich noch weitaus deutlicher in den Plänen, die er für seine Kinder hatte.

Fortsetzung folgt.

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Christoph Münch Alexander VI. Alexander der Große Familienpolitik Gegenpäpste Girolamo Savonarola Maximilian I.

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