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Matthew Ball: Das Internet soll „meta“ werden

Matthew Ball lotet Facebooks Chancen aus, das „Metaverse“ real werden zu lassen.
Gamescom
Foto: dpa | Die VR- Maske und andere Ein- und Ausgabegeräte sind nötig, um sich im Metaverse zu bewegen.

Das „Metaverse“ ist derzeit in aller Munde. Was genau das Metaverse jedoch sein soll, was es können soll, wie seine Auswirkungen sein werden und viele andere offene Fragen kann derzeit keiner beantworten. Der Grund ist einfach: Noch gibt es kein Metaverse. Matthew Ball hat sich den Fragen rund um das Thema gestellt und ein Buch dazu geschrieben, was das Metaverse sein soll und was sich alles damit verändert.

„Was sich hier sehr banal anhört, hat in einem künftigen Metaverse erhebliche Bedeutung.
Datensätze müssen von hier nach dort und nicht zuletzt auch in die analoge Wirklichkeit
mitgenommen werden können“

Der Autor, Investor und Tech-Experte gilt im Silicon Valley als Guru für alles rund um das Metaverse: Man liest dort nicht nur, was er schreibt, man hängt ihm an den Lippen. Das mag daran liegen, dass sich derzeit kaum jemand so viele theoretische Gedanken um einen Technologiekomplex macht, der vermutlich eine nie gekannte Änderung nach sich ziehen wird. Genau das beschreibt Ball in seinem Buch „Das Metaverse. Und wie es alles revolutionieren wird“. Das Buch erschien vor ein paar Monaten in englischer Sprache und liegt nun in deutscher Übersetzung vor.

Ball greift weit zurück: Er geht mit seinen Beschreibungen weit vor die Zeit zurück, bevor es das gab, was wir heute „das Internet“ nennen. Dies ist nötig, um zu verstehen, warum wir von „dem“ Internet und nicht von „den“ Internets reden. Matthew Ball verlangt seinem Leser hier einiges an technischem Hineindenken ab, ohne das jedoch nicht zu verstehen ist, wie das Internet so werden konnte, wie es heute war. Eine wesentliche Rolle spielen dabei eben nicht nur die einheitlichen Protokolle für den Datenaustausch. Ebenso entscheidend war es einheitliche Dateiformate für Bild, Audio und Video zu finden. Für alle Bereiche, in denen es doch unterschiedliche Formate gibt, existieren Konverter. Wer hat nicht schon mal schnell ein png in ein jpg umgewandelt: Es ist alles andere als selbstverständlich, dass dies geht. Open source, offene Quellen spielen dabei eine wichtige Rolle. Jeder darf auf alle technischen Standards frei zugreifen.

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Datenvolumen und -geschwindigkeit setzen die Grenzen

Das ist der Kern der Idee hinter dem Internet. Ball beschreibt weiter hinten im Buch, warum dies entscheidend sein wird für die Entstehung eines Metaverse. Doch dem zuvor geht erst einmal eine Beschreibung, was denn das Metaverse überhaupt ist. Es handelt sich Ball zufolge um eine in Echtzeit gerenderte 3D-Welt mit beliebig vielen Teilnehmern. Hier wird es wieder technisch, denn das ist derzeit alles andere als trivial. Allein der Faktor Latenz, das ist etwas grob übersetzt der Zeitverzug, mit dem etwas beim Nutzer ankommt.

Wir merken es nicht, aber beim Videostreaming ist Latenz ein wesentliches Problem, das Streamingdienste, wie beispielsweise Netflix, dadurch lösen, dass Teile des Films vorab geladen werden: Es ist immer schon mehr vom Film beim Nutzer, als er aktuell haben müsste. Stockt das Netz, läuft das Video trotzdem flüssig weiter. Netflix entscheidet zudem über die Qualität der Übertragung, die durchaus mal heruntergerechnet wird, wenn der Nutzer dadurch keinen Qualitätsverlust hat.

Die Entwicklung war bisher rasant

In einem Metaverse würde dies nicht funktionieren, denn der Nutzer könnte seinen Blick in gerade dem Moment an einen Ort wenden, der (noch) nicht gerendert ist. Dann würde beispielsweise eine Wand oder eine Tür plötzlich unscharf. Die Alternative, alles in der Umgebung permanent zu rendern, verlangte einen Aufwand an Bandbreite, den kein Netz heute zu leisten in der Lage ist. Die Rechenleistung der Endgeräte der Nutzer bräche schon weitaus eher zusammen. Matthew Ball zeigt auf, was dem Metaverse heute entgegensteht: Kurz gesagt, wir sind technisch noch nicht so weit. Zugleich zeigt er aber auf, wie sich die Entwicklung des mobilen Internet vollzogen hat.

Zu Beginn dieser Entwicklung hätte niemand vorhersagen können, dass wir heute einen 5G-Standard haben und wie leistungsfähig dieser schon ist. Auch wenn wir derzeit noch keine virtuelle Realität in Echtzeit rendern könnten, eine Augmented Reality (= erweiterte Realität) können wir in Echtzeit rechnen. Ball bringt dies Beispiel zwar nicht, aber Google Maps kann an einigen Orten die Genauigkeit der Navigation steigern, indem man die Umgebung mit der Kamera scannt. Hier wird die Wirklichkeit der Straße, auf der wir gehen, durch die Karte im Smartphone ergänzt und wir können uns an fremden Orten so orientieren, als wären wir dort zuhause.

Die Zukunft des Metaverse kann niemand kennen

Jeder, der sich in den 90er Jahren mit dem Internet beschäftigt hat, hat vorhergesehen, dass diese Technik die Welt verändern wird. Niemand jedoch konnte vorhersehen, wie sich die Welt verändern würde. Diese auf den ersten Blick banale Feststellung macht Matthew Ball, um zu zeigen, welche Potenziale das Internet entwickelt hat und warum es sie entwickelt hat. Hier rückt besonders das mobile Internet und Cloud Computing in den Fokus: Ball weist darauf hin, dass vieles Internet ist, was wir gar nicht unbedingt als Internet erkennen. Da wäre das Internet der Dinge, smarte Steuerungen und vieles andere, was gar keinen Bildschirm benötigt. Interessant ist ferner, wieviel Aufmerksamkeit Matthew Ball verschiedenen Spielewelten widmet.

In der Tat finden hier zahlreiche Vorgriffe auf ein Metaverse statt: Hier wird bereits in 3D gerendert, wenn auch nicht in Echtzeit. Einen weiteren Aspekt stellen Filme: Hollywood ist schon lange sehr digital. Aber hier zeigt sich der Zusammenhang zwischen der Qualität der gerenderten Bilder und der Zeit und der Rechenleistung, die nötig ist. Die Erfahrung kann übrigens jeder machen, der ein Video für YouTube erstellt: Selbst ein leistungsfähiger Rechner braucht schon mal über eine Stunde, um 10 Minuten Video zu rendern – und wir reden hier nicht über 4k, da werden die Zeiten noch einmal weitaus länger.

Anbieter werden kompatible Standards entwickeln müssen 

Ein weiterer Punkt, dem Ball viel Aufmerksamkeit widmet, ist die Übertragbarkeit von virtuellem Eigentum von einer Welt in die andere: Im klassischen Internet kann ich ein Bild mit dem Android-Smartphone machen und bei Facebook hochladen, ein anderer lädt es mit dem Windowsrechner herunter und auf Googledocs hoch. Im Metaverse kaufe ich mir in Welt a beispielsweise ein paar (virtuelle) Turnschuhe – wechsele ich innerhalb des Metaverse in Welt b jedoch, so muss ich diese Turnschuhe auch dort tragen können, selbst wenn diese Welt einer anderen Firma gehört.

Was sich hier sehr banal anhört, hat in einem künftigen Metaverse erhebliche Bedeutung. Datensätze müssen von hier nach dort und nicht zuletzt auch in die analoge Wirklichkeit mitgenommen werden können. Ball geht auch den Fragen von Web3 und Blockchain nach und zeigt die Grenzen einer möglichen Dezentralisierung auf. Matthew Ball sieht zwar die Online-Zukunft als in Echtzeit gerenderte 3D-Welten, doch am Ende muss auch Ball zugeben, dass selbst für Pioniere die Zukunft schwer vorherzusagen ist.


Matthew Ball: Das Metaverse. Und wie es ALLES revolutionieren wird.
328 Seiten. Vahlen Verlag, ISBN 978-3-8006-6939-4

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Peter Winnemöller

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