Norbert Bolz, emeritierter Professor für Medienwissenschaften und bundesweit bekannter Publizist, musste eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen. Anlass war ein Post, den Bolz auf X abgesetzt hatte: „Gute Übersetzung von ,woke‘: Deutschland erwache!“ Damit kommentierte der Medienwissenschaftler, ehemals Kolumnist dieser Zeitung, wiederum einen Post der Berliner TAZ, die einen ihrer Artikel mit den Worten beworben hatte: „AfD-Verbot und Höcke-Verbot: Deutschland erwacht“. Beide, TAZ und Bolz, spielten dabei natürlich auf ironische oder sarkastische Weise mit der NSDAP-Parole „Deutschland, erwache!“
Dass weder Bolz noch die TAZ sich eine Naziparole zu eigen machten, muss für jeden, der des sinnentnehmenden Lesens mächtig ist, offensichtlich gewesen sein. Es bedurfte daher entweder der Dummheit, der Böswilligkeit oder einer toxischen Mischung aus beidem, um in Bolzens Äußerung nicht nur ein justiziables Meinungsvergehen zu sehen, sondern auch ein so schwerwiegendes, dass es eine Hausdurchsuchung rechtfertigt. Wie Bolz auf X erklärte, gaben ihm die Polizisten noch den freundlichen Rat, „in Zukunft vorsichtiger zu sein.“ Den Anstoß für die Aktion gab übrigens die zum Hessischen Innenministerium gehörende Meldestelle „HessenGegenHetze“.
Der Fall Bolz ist ein Skandal, aber nichts Neues
Der Fall Bolz ist ein Skandal, aber eigentlich nichts Neues. Schon seit einiger Zeit werden in Deutschland Menschen wegen Meinungsäußerungen verfolgt, die neutral und nüchtern betrachtet niemals juristisch belangt werden sollten. Die „Tagespost“ hat erst vor Kurzem einige solcher Fälle dokumentiert. Das Besondere am Fall Bolz ist seine Prominenz. Bolz ist zwar ein kritischer Geist, der an den politisch-gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre kein gutes Haar gelassen hat, aber eben dennoch ein moderater Konservativer, der etwa regelmäßig für die „Welt“ schreibt. Das erklärt auch, warum sich in diesem Fall auch linksgesinnte Prominente, wie zum Beispiel Ricarda Lang von den Grünen, mit dem Opfer öffentlich solidarisierten.
Man kann die Hausdurchsuchung bei Bolz für „absurd“ oder „lächerlich“ halten oder davor warnen, dass das eine gefährliche Entwicklung für die Meinungsfreiheit darstelle. In Wahrheit greifen diese Floskeln zu kurz; sie sind zu blauäugig. De facto gibt es in Deutschland staatliche Repressionen gegen legitime Meinungsäußerungen. Diese kommen zwar nicht flächendeckend, sondern nur punktuell zum Einsatz, aber das genügt, um ein Klima der Angst und Einschüchterung zu schaffen, ganz nach dem alten Mao-Spruch: „Bestrafe einen, erziehe Hunderte.“
Die Gesetze eines Landes können noch so klug, gerecht und ausgewogen sein, sie schützen nicht vor Ungerechtigkeit und Unterdrückung, wenn die zuständigen Stellen – sprich: Exekutive und Judikative – die Gesetze nicht auf gerechte und angemessene Weise zur Anwendung bringen. Wenn die staatlichen Institutionen selbst marode werden, hilft auch das beste Grundgesetz nichts.
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