Am 7. und 8. Dezember wird die Pariser Kathedrale Notre-Dame nach mehr als fünf Jahren Restaurierung feierlich wiedereröffnet (siehe S. 10). Für den französischen Staat ein gigantisches Prestigeprojekt, für die Bischöfe der Anstoß, sich mit dem Zustand von Kirchen im ganzen Land zu beschäftigen. Anfang der Woche veröffentlichten sie einen Bericht zum Zustand des religiösen Erbes in ihrem Land. Wenig überraschend lassen Bausubstanz, Instandhaltung und Sicherungsmaßnahmen vieler Kirchenbauten gerade in ländlichen Regionen zu wünschen übrig: Wasser auf die Mühlen derer, die fordern, der Eintritt in die Pariser Kathedrale dürfe zukünftig nicht mehr kostenlos sein, allen voran die Kulturministerin Rachida Dati. Mit dem Erlös möchte sie andere Kirchen restaurieren. Bisher wehren sich die Bischöfe gegen diesen „Verrat an der eigentlichen Bestimmung von Kirchen“.
Irgendwie müssen neue Mittel zur Instandhaltung beschafft werden, da sind sich Bischöfe und Staat – 80 Prozent des französischen Kirchenbestands gehören den Kommunen – einig. Nur woher soll das Geld kommen? Da gehen die Ansätze auseinander. Die Kathedrale von Saint-Flour im Cantal vermietet ihren Glockenturm zur Verfeinerung von Qualitätsschinken – das kann eigentlich keine dauerhafte Lösung sein. Christen müsste klar sein: So wertvoll Kirchen als Kulturgut auch sein mögen, aus Sicht des Himmelreichs sind sie wertlos, wenn in ihnen nicht gebetet wird. Wenn die Franzosen nicht wollen, dass ihre Gotteshäuser in naher Zukunft mit der gleichen intellektuell-distanzierten Neugier betrachtet werden, mit der der Gelehrte sich Ruinen längst vergangener Kulturen anschaut, dann gibt es eigentlich nur eines: mit aller Kraft den Glauben wiederbeleben, der allein aus den toten Steinen den Mittelpunkt einer Gemeinschaft macht. Eines zeichnet sich jedenfalls jetzt schon ab: Das Gezänk um die Pariser Kathedrale Notre-Dame wird nach dem 8. Dezember nicht vorbei sein.
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