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Vita Sancti Martinii von Sulpicius Severus

Martinsleben neu herausgegeben: Die Vita Sancti Martinii von Sulpicius Severus bleibt ein Klassiker der Hagiographie.
Mantelteilung des heiligen Martin
Foto: Wolfgang Sauber | Wohl jedem Kind ist auch heute noch ein Detail der Martinsvita bekannt: die Mantelteilung.

E r ist neben dem heiligen Nikolaus einer der populären Heiligen, deren Feste weit über die Gruppe der praktizierenden Christen hinaus bekannt sind. Die Laternenumzüge der Kinder zum Fest des heiligen Martin am 11. November sind ein alljährlich wiederkehrendes Ritual. Die Geschichte vom hohen römischen Offizier, der seinen Mantel mit einem Bettler teilte, dafür mit einer nächtlichen Christusvision belohnt wurde und sich daraufhin taufen ließ – dürfte auch im Jahr 2018 noch fast jedem Kind bekannt sein.

Spätere Aktivitäten des Heiligen im Zentrum

Doch diese Geschichte ist nur ein Teil der Martinslegende. Wer mehr über den zwischen 315 und 397 lebenden Heiligen erfahren will, kann auf den nun in einer neuen Ausgabe vorliegenden Lebensbericht des Sulpicius Severus zurückgreifen, den dieser als Zeitgenosse Martins noch vor dessen Tod verfasste. In einem beigefügten Brief geht er auf den Tod und das Begräbnis des Heiligen ein. In dieser Lebensbeschreibung lässt sich selbstverständlich die berühmte Mantelepisode nachlesen, doch in ihrem Zentrum stehen vor allem die späteren Aktivitäten des Heiligen. Deutlich wird nicht zuletzt die monastische Prägung Martins. Vor seiner widerwillig akzeptierten Wahl zum Bischof lebte er als Einsiedler und als Bischof von Tours gründete er nahe der Stadt das Kloster Marmoutier, um weiterhin wie ein Mönch leben zu können.

Unter den geschilderten Aktivitäten Martins stechen zwei Dinge besonders hervor: Zum einen die durch Martin gewirkten wunderbaren Heilungen von körperlichen und geistigen Gebrechen, die bis zur Auferweckung von Toten reichen (zum Beispiel rettet er auf dieses Weise einen jungen Sklaven, der sich erhängt hatte). Zum anderen wird sein energischer Einsatz für die katholische Glaubenslehre gegen Heiden und christliche Häretiker deutlich. Martins Vorgehen gegen die Reste des alten gallischen Heidentums kann man als robust bezeichnen. Sulpicius Severus berichtet von Tempelzerstörungen oder der Fällung heiliger Bäume. Dabei sah sich Martin mitunter handfestem Widerstand gegenüber. Nicht nur mit auszutreibenden Dämonen, sondern auch mit dem Teufel gerät Martin häufig in direkten Konflikt.

In großer Pracht erscheint der Dämon als falscher Christus

In einem aufschlussreichen Streitgespräch versucht er sogar ihn zu bekehren, indem er ihn daran erinnert, dass die Barmherzigkeit Gottes grundsätzlich auch ihm offensteht: „Unseliger, selbst wenn du aufhören wolltest, die Menschen zu verfolgen und wenigstens in diesen Zeiten, da der Tag des Gerichts sehr nahe ist, deine Missetaten bereuen wolltest, dann würde ich dir im Vertrauen auf den Herrn Jesus Christus Barmherzigkeit versprechen.“ Ein anderes Mal versucht der Widersacher Martin zu täuschen, indem er ihm in großer Pracht als falscher Christus erscheint. Doch als Martin ihn auffordert, die Gestalt des leidenden Christus anzunehmen, muss der Teufel sich zurückziehen. Ein solches gesundes Selbstbewusstsein legte Martin nicht nur im Umgang mit übersinnlichen Widersachern an den Tag. Auch gegenüber dem Kaiser zeigt er sich prinzipientreu – indem er bei einem Gastmahl einem einfachen Priester höhere Ehre erweist als dem Imperator.

In dieser Neuausgabe wird der Text der Vita – abgesehen von einer kurzen Einführung – nicht von einem großen gelehrten Apparat begleitet. Der Text spricht weitgehend für sich. Manche historischen und soziokulturelle Hintergründe bleiben trotz der Einführung für einen nicht vorgebildeten Leser so leider diffus. Der von der Vita ausgehenden Faszination tut das jedoch keinen Abbruch. Am Ende versteht man besser, warum Martin über alle Zeiten hinweg zu einem so populären Heiligen wurde.

Joachim Drumm (Hg.): Martin von Tours. Ein Lebensbericht von Sulpicius Severus. Topos, 2018, 96 Seiten, ISBN 978-3-8367-1126-5, EUR 9,95

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