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Alfred Delp: „Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun“

Fünf Bedingungen der wahren Freude, um auch unter widrigen Verhältnissen das Wesentliche im Blick zu behalten: Der dritte Teil einer Adventsreflexion über die „Meditationen“ des Jesuitenpaters Alfred Delp.
Adventsmeditationen Alfred Delps
Foto: IMAGO/Zoonar.com/Yuri Arcurs peopleimages.com (www.imago-images.de) | Alfred Delp beschreibt, wie er trotz seiner aussichtslosen Situation manchmal irrationale Freude verspürt. Er interpretiert sie teilweise als „Notwehr des Daseins“. 

Dies ist der dritte Teil einer Adventsserie über die „Meditationen“ von Alfred Delp. Der Jesuit schrieb sie 1944 mit gefesselten Händen in der Haftanstalt Berlin-Tegel. Er wurde von den Nazis zum Tod verurteilt und starb im Februar 1945. In seinen Gedanken zum Advent geht es um die schonungslose Wahrnehmung der Wirklichkeit, die radikale Hoffnung der frohen Botschaft, die Freude und die Freiheit, die Gott ermöglicht. Alle Zitate stammen aus der Sammlung seiner im Gefängnis entstandenen Gedanken, die unter dem Titel „Im Angesicht des Todes“ 1958 im Herderverlag erschienen ist.

Freude ist nicht das, was in den Sinn kommt, wenn man an Alfred Delp denkt, der im Advent 1944 in der Haftanstalt Berlin-Tegel dem Vollzug seiner Hinrichtung entgegenschreitet. Und doch ist die dritte seiner Meditationen zu den Adventssonntagen die längste der vier. Er beschreibt, wie er in dieser Situation manchmal irrationale Freude verspürt. Er interpretiert sie teilweise als „Notwehr des Daseins“. 

Aber dies sei nicht alles: „Es gab und gibt die Stunden, in denen man getröstet ist und innerlich gehoben, in denen man die Sachlage genauso real und aussichtslos sieht wie sonst und doch nicht gram wird darüber, sondern es wirklich fertigbringt, das Ganze dem Herrn zu überlassen.“ Auf die Frage, wie das gehen soll, würde Delp antworten: „Die Freude im Menschenleben hat mit Gott zu tun.“

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Ohne Gemeinschaft mit Gott sei der Mensch nach Delp „auf Dauer krank“, „da wird es grau und grämlich und nüchtern und rechenhaft“. Und so stellt er fünf Bedingungen der wahren Freude vor, die innere Voraussetzungen und Vorgänge im Menschen meinen. Diese würden es dem Menschen möglich machen, „auch in widrigen äußeren Verhältnissen immer wieder einmal wenigstens zu ahnen, was es eigentlich um das Leben ist“.

Bedingung 1: An Gott als „Du“ glauben

„Die Frömmigkeit und die Fröhlichkeit hängen innerlich zusammen.“ Nach Delp gilt: Nur, wer der Ordnung Gottes gemäß lebt, kann zur echten Freude gelangen. Symptome eines gottlosen Lebens nennt er „Freudentöter“ und zählt einige auf: Sinnlosigkeit, Verwirrung, Zerrissenheit, Gegeneinander der verschiedenen Werte. Die schlussendliche Folgerung sei die „Barbarei des jeweils lautesten Wertes und geringsten Gutes.“ Und am Ende werde der Mensch „besessen und gejagt und getrieben, er ist kein Freier und kein Herr mehr.“

Der Mensch erlebe sich und die Welt als Grenze, obwohl seine Sehnsucht sucht, die Grenze zu sprengen. Als billiges Hilfsmittel wolle sich der gottlose Mensch durch Täuschung, Lärm und Feste ablenken, oder es werde „ein billiges carpe diem als buntes Fähnchen aufgestellt“. Der Ausweg ist Delp klar: „Den Johannesruf hören. Die große Bekehrung wird dem Menschen die Wüste weihen und wandeln. Sie wird ihm neue Perspektiven öffnen und ihm die alten Quellen entsiegeln.“

Unter die erste Bedingung fällt auch der Glaube an einen personalen Gott. Gott sei „der Gott der persönlichen Nähe“. Dies sei nicht nur Zusage, sondern Auftrag. Wir müssten begreifen, „dass Tempel Gottes nicht nur da sind, wo noch Kirchen stehenblieben, sondern dass die Tempelbogen überall da sich wölben und wachsen, wo das Menschenherz anbetet, die Knie beugt, der Geist sich öffnet und wo der Mensch als Anbetender und Liebender in seiner höchsten Form sich erfüllt.“

Bedingung 2: Ehrlich sein mit sich selbst

Diese Bedingung klang bereits an: Es bedürfe einer Bekehrung, einer „großen Wandlung des Daseins“, um fähig zur tiefen Freude zu sein. Diese Bekehrung sei Ergebnis des eigenen Zutuns, wie auch Ergebnis der Gnade Gottes. „Der Mensch muss zu einer absoluten Klarheit über sich selbst und Ehrlichkeit vor sich selbst und den andern gebracht werden.“ Damit ginge nach Delp einher, um die eigene Grenzhaftigkeit, die beschnittenen Möglichkeiten seiner selbst zu wissen und diese in Demut anzuerkennen.

Bedingung 3: Sich nach oben ausstrecken

Es gehöre nach Delp zum Wesen des Menschen, „über sich hinaus zu müssen“. „Wer nur Mensch und sonst nichts sein möchte und nicht mehr von sich weiß als die menschlichen Alltäglichkeiten und alltäglichen Menschlichkeiten, der vegetiert bald nur noch als Untermensch.“ In diesem Streben nach oben erlebe der Mensch jedoch seine eigene Ohnmacht. Die grundsätzlichen Grenzen, die dem Menschen gesetzt sind, verbindet Delp eindrücklich mit seinen ganz konkreten persönlichen Grenzen im Gefängnis: „Gefangenschaft nennt die Liturgie diesen Zustand, bedingt durch iniquitas: Schuld. Man nennt dieses Wort oft, aber man muss selbst einmal Gefangenschaft ausgehalten haben, um zu wissen, was für unser inneres Wesen da gesagt wird.“

Delp, Alfred, Pater SJ
Foto: (KNA) | In Alfred Delps Gedanken zum Advent geht es um die schonungslose Wahrnehmung der Wirklichkeit, die radikale Hoffnung der frohen Botschaft, die Freude und die Freiheit, die Gott ermöglicht.

Er spinnt diesen Vergleich weiter, indem er beschreibt, wie er aus dieser Gefangenschaft nur herauskommen würde, wenn man von außen die Tür öffnete. So würde auch Gott vor der Tür des menschlichen Herzens stehen und warten, bis wir aufmachen, sehnend danach uns zu retten. Uns müsse stets bewusst sein, „dass der Herr bereit und wartend vor den Toren steht“. Letztlich ruft Delp hier auf, den Dingen dieser Welt den richtigen Platz zu geben und sich gleichzeitig nach dem Heil auszustrecken, das Gott schenken möchte. „Wir sitzen in dumpfen Kellern und engen Kerkern und stöhnen unter den berstenden und vernichtenden Einschlägen des Schicksals Wir sollen endlich beginnen, den Dingen keinen falschen Glanz und keine falsche Würde mehr zu geben, sondern sie tragen als das, was sei sind: unerlöstes Leben.“

Bedingung 4: Über den Dingen stehen 

Ein Mensch, der um die Endlichkeit der Welt und der Dinge weiß und gleichzeitig die Verheißungen Gottes vor Augen hat, „löst sich aus der Unmittelbarkeit der Dinge und Gegebenheiten. Er gerät in eine heilsame und heilende Distanz“, in eine „überlegen Freiheit, die der Mensch aus der Höhe den Dingen der Niederung gegenüber empfindet.“ Alfred Delp beschreibt, was in einem Menschen vorgeht, der in der Freiheit Gottes lebt: Er ist nicht mehr bestimmt von Hetze, Angst, Getriebensein und Sorgen, sondern er sieht die größeren Zusammenhänge: „Dort stirbt nicht die Not, aber der Kummer. Dort verschwindet nicht die Last, aber der Kleinmut. Dort gilt auch die Aufgabe und Bewährung des Daseins, aber nicht als quälende Sorge.“ Die Probleme bleiben dieselben, das weiß Delp sehr wohl, doch was sich ändert ist die Perspektive.

Bedingung 5: Offen auf Gott hoffen

Die letzte Bedingung für die Fähigkeit zur wahren Freude ist für Delp die „Verhaltenheit“. Hiermit meint er die Offenheit gegenüber Gott und die Hoffnung auf ihn. Vor allem aber auch die Einsicht, dass Gott Gott ist, und wir es nicht sind. Dass sein Reich hier schon angebrochen ist, die Vollendung jedoch noch aussteht. „Die Verheißungen Gottes stehen über uns, gültiger als die Sterne und wirksamer als die Sonne. An ihnen wollen wir gesund werden und frei von innen her.“ Die Verheißungen Gottes sind für Delp das, was Lebendigkeit, Zuversicht, Mut und Glück bringt. Mit Blick auf das Kommende, das schon angebrochen ist, ist echte Freude möglich.

Wenn ein Mann von Freude schreiben kann, weil er diese Freude erfährt, obwohl er einsam, verlassen, frierend, hungrig, verletzt, wartend auf den Tod in einer Zelle sitzt, dann ist Freude etwas anderes als kurzzeitiges Glück. Die wahre Freude ist nicht möglich wegen der Umstände, sondern trotz der Umstände. Denn die wahre Freude hat einen anderen Ursprung, und dieser Ursprung ist eine Person. Jesus Christus schenkt wahre Freude und will sie schenken. Delp appelliert an jeden: „Der Mensch soll seine Freude so ernst nehmen, wie er sich selbst nimmt. Und er soll es sich und seinem Herzen und seinem Herrngott glauben, auch in der Nacht und in der Not, dass er für die Freude geschaffen ist. Das heißt aber: für ein erfülltes Leben.“

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