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Vor allem in den ersten Lebensjahren sind Mütter die wichtigste Bezugsperson für ihre Kinder. Trennungen und Fremdbetreuung schaden der kindlichen Entwicklung. Eine Mutter aus Leidenschaft berichtet.
Young mother holding her newborn child. Banner
Foto: Adobe Stock | Kinder brauchen ihre Mutter als sicheren Ort der Geborgenheit und zuverlässigen Halt. In den ersten Lebensmonaten ist die Verbindung zwischen beiden besonders eng.

Unser Finn ist zehn Monate alt. Unter gesellschaftsnormalen Umständen würde er in den nächsten Tagen in einer Krippe eingewöhnt, damit er direkt nach seinem ersten Geburtstag dort einen Großteil seines jungen Lebens verbringt. Das fühlt sich für mich nicht stimmig an. Ein Kind in diesem Alter, Verzeihung, ein BABY in dem Alter braucht vor allem seine Mama: Nähe, Geborgenheit, Vertrauen, Verlässlichkeit, Zuwendung… und LIEBE. Alleine dafür muss ich doch eigentlich nicht mal Studien aufzählen, die das beweisen, oder?

In dem Alter können sich Kinder noch nicht mitteilen, wenige laufen, ja, vielleicht können sie sogar noch nicht mal richtig krabbeln. Das Kind isst kaum und trinkt unter Umständen ausschließlich an der Brust. All das ist bei unserem Baby Finn der Fall.

Ein Baby erinnert sich noch gut an die Zeit im Mutterleib. Dieses Wohlgefühl strebt es immer wieder an. Mit der Zeit im Bauch verbindet das Baby Geborgenheit, Liebe, Zuwendung, Sicherheit, Fülle – im Sinne von keinem Mangel, zum Beispiel an Nährstoffen. Es kennt kein Hunger- oder Durstgefühl. Die Bewegungen und Geräusche der Mutter sind ihm bekannt: der Herzschlag, die Stimme, die Empfindungen der Mama. Kommt ein Baby auf die Welt, erkennt es die Mutter instinktiv am Geruch. Außerdem empfindet ein Baby sich selbst und seine Mama als Einheit, also die Mama ist einen Teil seiner selbst.

Das markanteste Merkmal, das Mütter haben und alle anderen nicht, ist natürlich die weibliche Brust. Hier erfährt ein Baby intensiven körperlichen Kontakt, Streicheleinheiten, Berührungen, Augenkontakt, Kuscheln – natürlich geht fast all das auch beim Fläschchen geben, und es ist besonders wichtig, dass ein Baby diese Erfahrungen macht.

Was macht die Mutter außerdem aus, was alle anderen nicht leisten können? Eine Mama ist besonders feinfühlig gegenüber ihren eigenen Kindern. Sie ist der sichere Hafen und die emotionale Tankstelle. Im Wochenbett ist sie sogar noch sensibler. Diese Sensibilität, die die Mutter in dieser Zeit aufgrund ihrer Hormonlage empfindet, hat einen Grund: So ist sie offener in der Wahrnehmung, was ihr Baby braucht. Bindungsforscher haben sogar herausgefunden, dass der mütterliche Körper bei Hautkontakt das Baby wärmt, sollte es unterkühlt sein, oder das Baby kühlt, sollte ihm zu warm sein. Die mütterliche Haut wirkt also wie ein Aggregat.

Und jetzt stelle ich mir vor, wie mein Baby eines von sehr vielen Babys ist, das dort in der Kinderkrippe betreut wird. Wie er lernen muss zu schreien, damit er überhaupt gehört wird und seine existenziellen Bedürfnisse befriedigt werden. Dass die liebe Betreuerin zwar im besten Falle alles in ihrer Macht Stehende tut, es aber niemals genug sein wird für so viele kleine Menschen, die nach ihrer Mama schreien. Und nicht auszudenken, was ist, wenn die Frau, an die mein Baby gewöhnt ist, krank wird und plötzlich jemand „Fremdes“ nach meinem Kind schaut. Und nach zehn anderen ebenfalls, denn Krankheit wird nicht ersetzt. Verwahrung. Nicht Betreuung. Ich stelle mir vor, ich hätte selbst so viele kleine Kinder, die alle 100 Prozent von mir verlangten. Ich komme ja schon mit meinen zwei Kindern ständig an meine Grenzen. Auf die Bedürfnisse beider adäquat einzugehen und trotzdem mich selbst (und meinen Mann) nicht zu vergessen, ist eine der größten Herausforderungen für mich.

Unser Finn fremdelt nicht. Er geht auf jeden Arm, ist neugierig, lächelt jeden an… Er ist das ideale Baby für die Fremdbetreuung, möchte man meinen.

Emil, heute vier Jahre alt, war und ist da ganz anders. Er hat durch die schwere Anfangszeit ein Trennungstrauma erlitten und wir alle merken das heute noch deutlich. Nur langsam weicht er überhaupt von meiner Seite. Ihn hätte die frühe Fremdbetreuung endgültig gebrochen. Wäre Finn mein erstes Kind, hätte ich vielleicht gar nicht so weit gedacht, dass die außerhäusliche Betreuung kurz nach dem ersten Geburtstag nicht das Ideal ist. Schließlich machen es ja alle so. Nur durch Emils Verhalten fing ich an zu recherchieren. Darüber, was in unseren kleinen Kindern vorgeht, was sie brauchen in den ersten Jahren und darüber, was sie sicher nicht brauchen: Eine Menge anderer Kinder, frühkindliche Bildung und spezielle Förderung!

Ein Mädchen (etwa zwischen zwei und drei Jahren alt) sitzt im Flugzeug auf Papas Schoß. Sie weint fürchterlich und lässt sich von ihm auch nicht beruhigen. Er gibt offensichtlich alles. Doch dann kommt endlich die Mama zurück, und es wird klar, weswegen die Kleine so schreit: Die Mama war kurz weggegangen. Das Kind beruhigt sich nur sehr langsam auf ihrem Arm. Sie schluchzt „Mama“ in der Dauerschleife und krallt sich an ihrer Mutter fest. Einen Moment später schläft sie endlich erschöpft auf ihrem Arm ein.

Was war nur los mit ihr? Sie hat ihre Mama vermisst, soviel ist klar. Aber was genau geht in einem Kind dieses Alters vor, wenn es mit Trennung konfrontiert wird? In dem Alter verstehen die Kinder es nicht, auch, wenn man versucht zu erklären, dass man ja „nur kurz“ weg ist, und gleich schon wiederkommt. Weg ist weg. Egal, wie lange. Kleine Kinder haben ein enormes Problem, mit Trennung umzugehen. Die Sorge, verlorenzugehen, vergessen zu werden oder zurückzubleiben ist überwältigend. Diese Angst kann auch ganz plötzlich entstehen. Unsere Kinder sind hungrig nach Kontakt und Verbindung. Sie BRAUCHEN die Gewissheit, dass wir immer für sie da sind. Dieses Bedürfnis übersteigt alle anderen Bedürfnisse! Trennung können die Kleinen schlichtweg NICHT ertragen!

Die ersten sechs Lebensjahre eines Menschen sind hauptsächlich der Aufgabe gewidmet, die Beziehungsfähigkeit zu entwickeln. Diese ist die wichtigste Fähigkeit eines Menschen. Die Beziehungsfähigkeit unserer Kleinen ist noch nicht zu der Fähigkeit entwickelt, bei Trennungskonfrontationen innerlich an uns festhalten zu können.

„Trennung muss geübt werden“, sagen die Leute. NEIN! Muss sie nicht!

Das Gegenteil ist der Fall. Das Kind braucht MEHR Bindung, NICHT weniger! Je tiefer die Bindung ist, desto weniger ist unsere ständige Nähe, der direkte Kontakt oder unsere körperliche Anwesenheit erforderlich. Unser Kind lernt, dass es sich auf uns verlassen kann, dass wir immer da sind.#

Von Jenniffer Ehry-Gissel


Zur Autorin:

Die Autorin ist 39 Jahre alt und Mutter aus Leidenschaft. In ihrem Blog „berufungmami.de“ schreibt sie über ihre Entscheidung, ihre Kinder in den ersten Lebensjahren selbst zu betreuen. Jenniffer Ehry ist glücklich verheiratet und Mutter von zwei gemeinsamen Söhnen im Alter von einem und vier Jahren, sowie zwei erwachsenen Kindern, die ihr Mann mit in die Ehe gebracht hat. Ihre Motivation: junge Eltern oder solche, die es werden wollen, mit der Fragestellung der Fremdbetreuung nicht alleine zu lassen.

 
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