Frauen verfügen bekanntermaßen über die Fähigkeit, mehrere Sachen gleichzeitig zu machen. Ein stereotypisches Bild einer Frau, die gleichzeitig kocht, die Spülmaschine ausräumt, das ältere Kind zum Hausaufgabenmachen schickt und dabei noch die Fragen ihres jüngeren Kindes beantwortet, ist oft gar nicht so weit von meiner Realität entfernt. Unsere moderne Lebensweise – sich unterhalten, während man gleichzeitig auf dem Handy scrollt oder E-Mails beantwortet – verstärkt diese Tendenz auf oft schädliche Weise.
Es sind jedoch oft nicht nur die Umstände, die uns Mütter dazu zwingen, mehreres auf einmal zu machen. Oft wollen wir Frauen selbst mehreres gleichzeitig schaffen. Während mein Mann, der im Homeoffice arbeitet, komplett abschalten kann, sich voll und ganz auf seinen Aufsatz konzentriert und daneben nichts anderes wahrnimmt (egal, ob dabei unsere Kinder einen Schwertkampf betreiben, vom Hochbett runterspringen oder sich die Haare selber schneiden wollen), verfalle ich oft der Versuchung, mir neben der „Haupttätigkeit“ im Haushalt die Zeit durch „Intellektuelles“ verkürzen zu wollen.
Was Zeit sparen soll, endet mit Zeitverschwendung
So habe ich mir angewöhnt, diverse Podcasts und Videos zu hören und werde beim Putzen, Kochen und Backen hauptsächlich durch politische Kommentare begleitet. Dabei bilde ich mir ein, irgendwie Zeit zu sparen … als wäre die monotone und langweilige Arbeit eine Zeitverschwendung. Was aber Zeit sparen soll, endet dann oft mit Zeitverschwendung, weil ich erst mal durchzappen muss, was gerade am interessantesten sein könnte. Oder weil ich dadurch eine Abhängigkeit von gewissen Kanälen entwickle – und ihnen schließlich auch während nicht monotoner Arbeiten folgen will.
Ganz anders handhabte das, in einer eigentlich gar nicht so weit zurückliegenden Zeit ohne digitale Verführungen, meine Mutter. Bei einer langwierigen Arbeit muss ich sofort daran denken, wie sie (beziehungsweise wir alle als Familie) jedes Jahr die Johannisbeermarmelade auf dem Kachelofen in unserem Ferienhaus kochte(n). In dem über 800 Meter Höhe gelegenen Ort reiften die Johannisbeeren erst Ende Juli, während unserer Sommerferien. Vom Pflücken über das Entsaften (natürlich mechanisch!) bis zum Kochen begleitete meine Mutter die Arbeit mit marianischen Gesängen. Die kleine Küche füllte sich mit dem Duft der frisch gekochten Marmelade und den Tönen des slowakischen Marienliedes „Na stokrát bud’ pozdravená“. Meine Mutter war eine Meisterin darin, immer eine Gelegenheit zum Gebet zu finden. Im Gegensatz zum Singen beim Kochen war das meistens still und unauffällig.
Arbeit als Mittel zur Heiligkeit
Für sie gab es keine minderwertige Arbeit im Haushalt, die sie durch eine andere Tätigkeit aufwerten musste. Sie würdigte ihre Arbeit nur durch das Gebet. Der Wert ihrer Arbeit wurde nicht nach der Effektivität gemessen. Für meine Mutter war die Arbeit auch kein Ziel an sich, sondern nur ein Mittel auf dem Weg zur Heiligkeit. Natürlich hatte auch sie manchmal keine Lust zu monotoner Arbeit. Aber indem sie sich dazu überwand, erwachte in ihr das Gebet. Es hatte schon etwas Monastisches an sich, wie sie das Jesusgebet in Kirchenslawisch ganz leise wiederholte: „Hospodi Isuse Christe, Syne Boij, pomiluj mja hrinaho“ (Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner, des Sünders).
Die kommende Adventszeit bietet genug Gelegenheit zu eintöniger Arbeit, ob Putzen, Staubwischen oder Plätzchenbacken. Sofern ich diese Tätigkeiten nicht an die Kinder delegieren kann – was auch eine wunderbare Erziehungsmaßnahme ist – nehme ich mir vor, keine Podcasts dabei zu hören und stattdessen nach dem Vorbild meiner Mutter zu wiederholen: „Hospodi Isuse Christe, Syne Boij, pomiluj mja hrinaho.“
Die Autorin hat Politikwissenschaften studiert, ist Mutter von drei kleinen Söhnen und lebt mit ihrer Familie in Berlin.
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