Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung

„Die Wahrheit macht uns frei“

„Hope Alive“ hilft Menschen, die durch Misshandlung, Abtreibung und Fehlgeburten schwer verletzt wurden, meint Therapeutin Branka Pejic-Moynan. Von Claudia Kaminski
Foto: Daniel Rennen | Hope Alive folgt einem medizinischen Modell, das die Wurzel des Schmerzes aufdeckt, bevor man sich damit wirklich konfrontiert.
Frau Pejic-Moynan, was ist Hope Alive? (dt. Lebende Hoffnung)?

Hope Alive ist eine Form der Beratung und Psychotherapie – besonders auch in der Gruppe –, die in den letzten 30 Jahren überall auf der Welt gelehrt und genutzt wurde, um Heilung bei diversen Traumata zu erreichen: physischen und psychischen (Kindes-) Missbrauch, Vernachlässigung und auch Verletzungen nach Abtreibung oder Fehlgeburten. Basierend auf von Experten durchgeführten wissenschaftlichen Studien bringt Hope Alive nachweisbare Erfolge und Besserung für Menschen, die sich dieser gründlichen Aufarbeitung in einer streng vertraulichen Gruppenarbeit und Psychotherapie stellen. Die Methode basiert auf biblischen und wissenschaftlichen Prinzipien. Das bedeutet nicht, dass man einer Religion angehören muss, um sich einer Gruppe und der Gruppentherapie anzuschließen, mancher aber versöhnt sich im Laufe der Zeit und der Aufarbeitung mit seinem Schöpfer und findet neu zur Religion oder zu einem religiösen Leben.

Wer ist der Erfinder, der Begründer Philip Ney?

Philip Ney; Jahrgang 1935, ist ein kanadischer Professor für Pädiatrie, Psychologie und Psychiatrie. Er lehrt an der Universität von British Columbia und hat besonders zu Kindesmissbrauch und dessen Zusammenhang mit Abtreibung geforscht. Darauf basierend hat er die Methode von Hope Alive entwickelt. In seiner langen Karriere hat er viele Gruppentherapeuten auf der ganzen Welt ausgebildet und betreut auch bis heute selbst Gruppen.

Gibt es andere, ähnliche Therapien?

Manche Therapeuten haben versucht, sich für ihre Therapieansätze an den Leitlinien, die Ney herausgefunden und ausgearbeitet hat, zu bedienen. Die angestrebten Veränderungen sollten aber nur dazu führen, dass die Methode von Hope Alive abgekürzt wird oder es wurden andere Schwerpunkte gesetzt. Leider hat das nicht zu einer Verbesserung beigetragen.

Ihre eigene Lebensgeschichte ist sehr schmerzhaft gewesen und die Konfrontation mit der Wahrheit war sicher sehr hart. Wie sind Sie selbst auf diese Form der Beratung aufmerksam geworden?

Eine französische Freundin hat mir davon erzählt. Sie hatte die Therapie gemacht und war sehr glücklich darüber. Ich hatte keinerlei Vertrauen in eine solche Beratung und habe es erst nicht ernst genommen. Aber je verzweifelter ich selbst wurde und je mehr ich davon hörte, desto eher war ich bereit, mich mit den Beratern einmal zu treffen. Sie gaben mir das Vertrauen und die Zuversicht, es zu versuchen.

Meine eigene Geschichte ist in der Tat sehr schmerzhaft. Obwohl meine Eltern im gleichen Land lebten wie ich, musste ich bei meinen Großeltern aufwachsen. Ich wurde sehr stark vernachlässigt, sie hatten keine Zeit für mich und ich hatte keinerlei Zugang zu meiner eigenen Identität: Wer war ich und zu wem gehörte ich? Ich wurde geschlagen und körperlich missbraucht. Später misstraute ich Männer und hasste sie! Daher habe ich auch in meiner Karriere versucht, mich an Männern generell zu rächen! Hope Alive hat mein Leben komplett verändert – auch weil ich mich in den letzten sechs Lebensjahren meiner Mutter mit ihr versöhnen konnte. Dank Hope Alive konnte ich ihr die Misshandlungen vergeben, vor allem aber konnte ich ihr vergeben, dass sie versucht hatte, mich abzutreiben. Der Tag, an dem ich ihr das verzeihen konnte, war mein zweiter Geburtstag. Ich habe auch meinem Vater verzeihen können, dass er mich von Geburt an ablehnte. Dadurch habe ich mich selbst annehmen können und habe auch meinen Frieden als Frau gefunden – sogar Männer konnte ich nach der Hilfe von Hope Alive respektieren.

Wie sieht die Therapie aus und was erwartet man vom „Patienten“, damit die Beratung erfolgreich sein kann?

Hope Alive folgt einem medizinischen Modell, in dem die Wurzel unseres eigenen Schmerzes zuerst einmal aufgedeckt und eingeräumt wird, bevor man sich wirklich damit konfrontieren kann. Dazu gehört auch, was wir anderen damit letztendlich antun und angetan haben. Die Wunden und Verletzungen müssen „gesäubert, gereinigt“ werden, vor der „Chirurgie“, dem eigentlichen Herausschneiden und Bearbeiten der Verletzungen. Die Patienten lernen neue Verhaltensweisen – inklusive sich selbst zu behaupten, mit Zorn, Wut und Manipulation umzugehen, aber auch Auslösern für falsche Verhaltensweisen nachzuspüren. Dazu gehört auch: Verantwortung zu übernehmen, Versöhnung und Annahme von Schuld, Methoden der Kindererziehung und – ganz wichtig – das Trauern zu erlernen! Das Angebot ist für jeden geeignet, der bereit ist, sich voll und ganz auf die 30 Sitzungen einzulassen, ergänzt durch eine anspruchsvolle Erforschung des eigenen Ichs zwischen den Sitzungen. Die Herausforderung ist, dass diese Einsichten dann auch in der Gruppensitzung mit den anderen geteilt werden müssen. Und natürlich hat die Therapie ihren Preis – ähnlich wie andere Beratungsformen auch. Der Unterschied ist aber, dass es ein bestimmtes Enddatum gibt, also auch feste Therapiekosten.

Warum ist es wichtig Frauen, Männer, Kinder, die ganze Familie mit der Tatsache einer Abtreibung in der eigenen Familie zu konfrontieren, eine solche Verletzung aufzuarbeiten?

Die Bibel sagt uns, dass die Wahrheit uns frei macht. Wie hart es auch immer sein mag, sich den Fakten, Wahrheiten, Verletzungen die sich in unserem Familienstammbaum verbergen, zu stellen, sie bleiben wahr! Viele Familien erfinden beispielsweise sogenannte Weiße Lügen, um Gespräche über so etwas Schmerzhaftes wie eine Abtreibung zu vermeiden – aber das bedeutet nicht, dass es damit wirklich zugedeckt ist. Es sind sogenannte Pseudo-Geheimnisse. Die Erfahrung von jahrzehntelanger Beratung und Therapie zeigt, dass Kinder von Abtreibungen in ihrer Familie w-i-s-s-en! Ganz besonders wenn es sich um ein abgetriebenes Geschwisterkind handelt! Und das sogar, wenn es sich um ein Geschwisterkind handelt, das vor der eigenen Empfängnis im Mutterleib abgetrieben wurde. Ich will Ihnen das an einem Beispiel erzählen: Eine junge Frau kam zu mir in die Beratung und berichtete von Problemen mit ihrem Sohn. Ich habe mich nur eine knappe Stunde mit ihrem Sohn unterhalten und ihn gebeten, zu malen. Er malte und malte – immer wieder kleine Gänge mit kleinen Gestalten, die dann aber abrupt am Weitergehen gehindert wurden durch etwas, was den Gang versperrte. Das malte er jeweils dreimal. Ich habe ihn gefragt, was das sei und er erzählte mir, dass das eben die Kleinen seien, die durch den Großen Sand, der plötzlich einfällt, am Weitergehen gehindert werden. Ich habe die junge Frau daraufhin gefragt, wie oft sie schwanger war. Sie antwortete mir: Na, Sie wissen doch, ich habe nur diesen einen Sohn! Daraufhin habe ich ihr gesagt: Ich habe nicht gefragt, wie viele Kinder sie haben, sondern wie oft sie schwanger waren! Weinend bekannte sie dann, dass sie drei weitere Schwangerschaften gehabt hatte – vor der Geburt ihres Sohnes – und alle drei Kinder hatte sie abgetrieben. Das „Wissen“, welches diese überlebenden Geschwisterkinder haben, was aber niemand mit ihnen besprechen möchte, ist eine ungeheure Last für solche Kinder – besonders weil es das gesamte Verhalten der Eltern beeinflusst – auch unbewusst. Damit Erleichterung und Heilung geschehen kann, muss man mit den Kindern in einer kindgerechten Art und Weise über diese Wahrheiten sprechen! Das „Wissen“ in einer Familie gilt übrigens auch für Fehlgeburten.

Was heißt das?

Das bedeutet, dass es auch Verletzungen, Schwierigkeiten in der Annahme von Kindern gibt nach Fehlgeburten – und die Kinder, die dann nach einer Fehlgeburt geboren werden, spüren das auch. Auch eine Fehlgeburt bedeutet eine Verletzung, ein Problem für eine Frau. Und eben für die direkt nachfolgenden Geschwister. Oft kann die Mutter dann erst wieder ganz normal lieben und auf ein Kind eingehen, wenn es dann zu einer weiteren Schwangerschaft und einer glücklichen Geburt kommt. Auch solche Dinge kommen für die Mütter und auch die Kinder, die das nach einer Fehlgeburt der Mutter erleben, in der Therapie zur Sprache und können geheilt werden.

Wie gehen Sie mit Kindern in der Therapie um? Warum wissen Kinder mehr, wie Sie sagen, und haben mehr Vertrauen?

Bis heute haben wir keine Kinder in der Therapie – eine bestimmte Reife und Selbsterkenntnis ist einfach notwendig, um sich den Anforderungen der sehr tiefgehenden Therapie zu stellen. Aber, Hope Alive für Kinder ist in der Entwicklung – es werden Malen, Kunst und Spiele genutzt werden, um zu helfen, die Verletzungen, die es in dem jungen Leben schon gibt, auszudrücken. Wir behandeln Kinder heute nur da, wo wir sehen, wie in meinem Beispiel, dass wir durch Malen und Kunst zur Heilung beitragen können. Kinder reagieren sehr gut auf Personen, die „es einfach nur wissen“ wollen, Personen, die sich einfach für das Kind interessieren und ihm zuhören. Von der Empfängnis an bemerken Kinder, wie sehr die Eltern auf ihre Bedürfnisse reagieren und ,hinhören‘. Wenn also Missbrauch oder Gleichgültigkeit vorhanden sind, dann wird sich das Kind fragen: „Warum werde ich nicht geliebt? Wo sind meine Eltern? Wer bin ich? Was muss ich tun, um geliebt zu werden?“ Und dann fehlt jemand, der ihnen klar macht, wie wertvoll sie sind und wer sie tatsächlich sind, was die eigene Identität ist. Erwachsene sind oft schon so häufig verletzt worden durch unbeantwortete Fragen, dass sie aufgehört haben zu fragen. Dadurch lernen sie auch nicht weiter! Die Offenheit eines Kindes spiegelt dagegen immer noch den Plan, den Entwurf Gottes wider: Die Wahrheit sehen und sie annehmen.

Ärzte, die es sich geradezu zum Beruf gemacht haben, Kinder im Mutterleib zu töten, und deren Personal – warum ist es wichtig auch mit diesen zu reden?

Hope Alive-Therapeuten wissen sich der Heilung der globalen Pandemie, die durch Abtreibungen entsteht, verpflichtet! Aber zusätzlich ist Prävention notwendig, damit der Missbrauch durch Abtreibung nicht immer mehr Menschen betrifft und verletzt! Die Abtreibungsärzte selbst tragen eine große Schuldenlast und es ist furchtbar, wenn sie sich dem Horror dessen, was sie getan haben, stellen müssen. Dr. Ney hat spezielle Programme entwickelt, die ihnen bei der Heilung helfen können – in dem Maße, wie das möglich ist. Ein Abtreibungsarzt macht die Abtreibung nur, weil seine „Dienste“ gefordert werden. In einem gewissen Sinne sind wir alle, die ganze Gesellschaft, auch Abtreiber, weil unsere Steuergelder finanzieren, was gewünscht ist. Hier muss auch Heilung und Versöhnung stattfinden.

Was ist Ihr Rat an Priester und Therapeuten im Hinblick auf Abtreibung und auch Fehlgeburten?

Der unermessliche Bedarf mag heutzutage noch nicht wirklich offensichtlich sein, aber sorgfältige klinische Beobachtung und Forschung weisen darauf hin, dass Millionen Menschen in jedem Land durch Abtreibung tief verletzt sind. Abtreibung ist einer der größten Missbräuche in unserer Gesellschaft. Viele Menschen, die wegen Depressionen behandelt werden, trauern eigentlich um ihre abgetriebenen Kinder. Sie benötigen Verzeihung, Wiederherstellung, aber keine Anti-Depressiva. Sie müssen wegen ihrer verlorenen Kinder trauern dürfen! Auch das sogenannte Post-Abortion-Survivor Syndrom ist eine Pandemie, über die kaum gesprochen wird. Die überlebenden Geschwisterkinder leiden auch! Nicht verziehene Schuld führt zu Schlafstörungen, Albträumen und so vielem mehr. Priester, Berater, Therapeuten – sie alle müssten sich mit diesen Syndromen auseinandersetzen und auch mit den Ursachen!

Dann können sie auch, wenn sie jemandem wirklich helfen wollen, nicht nur die Wunden bedecken, sondern lernen, die wirklichen Bedürfnisse dieser Menschen zu verstehen.

Hope Alive versteht sich nicht als generelles Psychotherapie- oder Beratungskonzept. Es ist bewusst entwickelt worden, um ausschließlich Heilung nach Abtreibung und Fehlgeburten oder Missbrauch zu ermöglichen. Der Begründer des Konzepts Philip Ney geht von millionenfachen Belastungen durch diese Traumata weltweit aus: allein 200 Millionen Betroffene durch Abtreibung jährlich weltweit (60 Millionen Abtreibungen jährlich weltweit, davon rund 10 Millionen wiederholte Abtreibungen). Zu den Betroffenen rechnet er Väter, Mütter, Geschwister, Großeltern usw. In 70 Prozent sieht Ney kombinierte Verletzungen durch Vernachlässigung, Misshandlungen und Abtreibung. Die nächste Ausbildung von Hope Alive findet vom 10. bis 16. August in Melbourne/Australien statt. Als Standardwerke gelten: Deeply Damaged, an Explanation for the profound problems arising from aborting babies and abusing children, ISBN 0-920952-10-0 sowie: The Centurion's Pathway. A description of the difficult Transition for Ex-Abortion Providers or Facilitators; ISBN 0-920952-06-2, printed and bound in Canada.

Themen & Autoren

Kirche

Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig