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"kathvocatio": Online-Dating mit Gott

Die neue Internetseite "kathvocatio" will Menschen helfen, ihre Berufung zu finden, indem sie die Berufungsgeschichten anderer teilt. Die Gründerin der Internetseite beantwortet in einem zusätzlichen Blog auch provozierende Fragen.
Papstmesse in Erbil
Foto: Jean-Matthieu Gautier (KNA) | Eine junge Frau mit Mundschutz betet mit geschlossenen Augen während der Papstmesse im Franso-Hariri-Stadion in Erbil am 7. März 2021.

Es soll ja Menschen geben, die bei offenem Fenster schlafen, um den Ruf nicht zu überhören. Was geistliche Berufungen angeht, sehen die Fensterfronten allerdings, um im Bild zu bleiben, schon seit  einigen Jahren ziemlich geschlossen aus. Aber stimmt es wirklich, dass es in unserer Zeit weniger Berufungen zu einem geistlichen Leben gibt? Die Antwort darauf ist ein klares Nein. Das Interesse an Spiritualität ist immens. Viele Menschen sehnen sich nach einer konkreten Form für ihr geistliches Leben. Dieses oft unbestimmte Gefühl betrifft Menschen in allen Lebenssituationen. Was sie bräuchten, um ihrem Leben eine neue Richtung, eine Bindung, Religion zu geben, wären im Grunde Geschichten, die dazu anstiften, sich auf den Weg zum wahren Leben zu machen. Berufungsgeschichten. Aber wo findet man die?

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Internetseite als Berufungsfinder

Genau diese Frage stellte sich auch Gabriele Rasenberger und brachte sie im Gebet vor Gott. Das Ergebnis ihres Betens und Nachdenkens ist kathvocatio, eine neue Internetplattform für Menschen, die sich über ihre Berufung klar werden und solche, die ihre Berufungsgeschichte mit anderen teilen möchten. Ansatzpunkt ist die Frage nach dem, was der Mensch wirklich braucht. Muss es das saisonale neue Outfit, die quirlige Party, der jährliche Urlaub sein? Oder ist es eigentlich etwas anderes, das das innere Sehnen stillt. Von hier ausgehend über das Nachdenken über die eigene Berufung, vielleicht unterstützt durch eine profunde geistliche Begleitung und das Gebet könnten tatsächlich neue Berufungswege entstehen. Eine gute Möglichkeit nach einer neuen Ordnung für das eigene Leben zu suchen, sind Angebote wie Kloster auf Zeit. Hierzu bietet kathvocatio eine Auswahl hilfreicher Links.

Wer kathvocatio ansteuert, trifft dabei auch auf das Angebot zum geistlichen Coaching auf der Insel Norderney. Schwester Kerstin-Marie bietet hier ein Berufungscoaching an. Diese neue Form der geistlichen Begleitung versucht gezielt zu klären, welche Lebensfragen im geistlichen Bereich zur Bearbeitung anstehen und welche Richtung man auf diesem Gebiet einschlagen möchte. Der Grundgedanke ist ebenso interessant wie richtungsweisend. Zum einen wird geistliches Leben hier wirklich ernst genommen. Damit unterscheidet sich der Blickwinkel von dem, der gemeinhin in den Gemeinden eingenommen wird. Hier gilt eher der Grundsatz, dass man „irgendwie“ katholisch ist. Wodurch man sich dann aber von den evangelischen, muslimischen oder agnostischen Nachbarn unterscheidet, ist eine Frage, die selten klar beantwortet werden kann. Und in den Gemeinden scheint eher der Fokus darauf zu liegen, durch attraktive Freizeitangebote zu punkten, als durch ein strahlkräftiges Gebetsleben und Gottesdienste, die durch ihre Leuchtkraft ganz von selbst Menschen anziehen.

Blog greift provozierende Themen auf

Im Berufungscoaching wird der spirituelle Bereich im Kontext des gesamten Lebens fokussiert und von dort her der Alltag neu geordnet. Wenn man in die Kirchengeschichte schaut, ist dieser Ansatz nicht neu. Die Bruderschaften im Mittelalter funktionierten auf ganz ähnliche Weise und verbanden gelebte Spiritualität mit Netzwerken, die auch darüber hinaus hilfreich und tragfähig waren. Die Reihenfolge ist also genau andersherum, als es heute bei uns weithin üblich ist. Im Mittelpunkt steht ein entschiedenes geistliches Leben, um das herum dann andere Aspekte, wie die Bewältigung alltäglicher Probleme oder gemeinsame Feiern angeordnet sind.

Die mit dem Motiv des sanft schwingenden Meeres schön gestaltete  Internetseite enthält auch einen Blog, auf dem Rasenberger regelmäßig postet. Dabei greift sie durchaus provozierende Themen auf, wie zum Beispiel das, ob man eine Jungfrauenweihe brechen dürfe; eine Frage, die ihr beim Surfen im Netz immer wieder begegnete, die sie in erfrischender, durch einen gelebten Glauben geprägte Sprache durchdenkt und auf diese Weise den Fokus auf eine wenig bekannte Lebensform lenkt, sodass auf dem so vorbereiteten Boden neue Berufungsgeschichten wachsen können.

Begriff "Berufung" nicht nur in Bezug auf zölibatäres Leben verwenden

Kathvocatio teilt Berufungsgeschichten, wobei Gabriele Rasenberger Wert darauf legt, dass der Begriff Berufung nicht nur in Zusammenhang mit dem Ordensleben oder dem Priesteramt Verwendung finden sollte. Sie möchte alle, junge Menschen, Eheleute und solche, die ein eheloses Leben führen möchten, dazu verlocken, ihre Berufung wahrzunehmen, zu prüfen und zu einer wegweisenden Entscheidung zu kommen. Um sie zu unterstützen, bietet der Verein kathvocatio Informationen über verschiedene Standorte von Ordenshäusern und Formen geistlichen Lebens an.

Eine der Berufungen, die auf der Homepage vorgestellt werden, ist die des Gebetes für Berufungen. Denn eins ist klar. Wenn man in Gemeinderunden hört, dass darüber geklagt wird, dass es keinen Priesternachwuchs mehr gibt und dann mal die Frage in den Raum stellt, wer denn zuletzt um Priester gebetet habe, herrscht meist peinliches Schweigen. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Gebetes ist bei vielen gering. Leider gilt aber auch das umgekehrte Phänomen. Denn auch dort, wo regelmäßig Gebetsstunden für geistliche Berufungen abgehalten werden, fehlt es oft an dem Blick für diejenigen, in denen eine Berufung wächst. Ob diese Menschen eine Chance auf eine gute Begleitung haben, hängt entscheidend davon ab, dass andere sie auf ihrem Weg unterstützen. Wer sich hier nicht für zuständig hält oder die Mühe scheut, einen Menschen, bei dem er eine Berufung wahrnimmt oder auf dessen Suchbewegung er aufmerksam gemacht worden ist, im Blick zu behalten, gleicht einem Gärtner, der die dürstende Pflanze nicht wässert, weil ein anderer, bezahlter Gärtner dafür zuständig ist. Gut möglich, dass der gerade in einem anderen Teil des Gartens unterwegs ist und die Pflanze deshalb endgültig den Kopf hängen lässt.

Bedürfnis nach Vernetzung ist groß

Kathvocatio bietet durch die niederschwellige, mit viel Phantasie, positive Energie und einem Sinn für organisches Wachstum organisierte Homepage einen virtuellen Raum, der eine neue Wirklichkeit schaffen kann. Dies geschieht einfach dadurch, dass hier ein Ort bereitgestellt wird, der von denjenigen gefunden werden kann, denen sich die Frage einer Berufung stellt. Die Begeisterung, mit der die Seite gestaltet ist, springt über. Und die Berufungsgeschichten, die hier geteilt werden, zeigen zum einen, dass das Konzept der Vernetzung auf diesem Wege gelingt, zum anderen, wie groß das Bedürfnis nach solchen Angeboten ist.

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