Leitplanken der Liebe

Der tiefste anthropologische wie theologische Gedanke der Genesis ist wohl, dass die Liebesgemeinschaft von Mann und Frau eine Ahnung von der Liebesgemeinschaft in Gott selbst verleiht. Schon von der zweifachen Gestalt des Menschen her wäre klar, dass Gott nicht selbstgenügsam, schweigsam, verschlossen ist, vielmehr Hingabe, Gespräch, Beziehung – eben Liebe. Menschliche geschlechtliche Gemeinschaft als Abglanz der göttlichen Gemeinschaft – damit ist der griechischen Trauer über die Zweiheit des Menschen eine unglaubliche Antwort gegeben: statt Trauer die Seligkeit, Gottes innere Dynamik abzubilden.

Daher auch die Leitplanken der Liebe: Du allein – Du für immer – mit Dir fruchtbar. Diese Versprechen sind nicht zwanghaft, wenn sie bei der Eheschließung von der Kirche gefordert werden, sie sind ein inneres Ethos, wörtlich der „Weidezaun“, in dem Leben, Leib, Liebe gedeihen. Auch um den stets drohenden Abfall zu verhindern. Diese Wahrheit ist lebensbestimmend: Wie tief in Ihm der Ursprung alles Lebendigen, alles Menschlichen, des Eros zwischen den Geschlechtern, ja der unbeschreiblichen Freude der Mutterschaft und Vaterschaft zu suchen ist. Deswegen ja auch die Fassung der Ehe als Sakrament: Gott als Weg von mir zu dir. Geschlechtlichkeit als Fenster und Durchsicht auf seine Gegenwart. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dankenswert die Ehe“zwecke“ umgestellt und die gegenseitige Liebe in die erste Bedeutung gehoben. Nicht minder aber ist es die Fruchtbarkeit, die als große, gottähnliche Gabe gesehen wird und die Communio besiegelt.

Die gleiche Würde des Sich-Gegebenseins nimmt dem (dennoch bleibenden) Unterschied seine Schärfe, seine Macht der Zerstörung des anderen. Der Unterschied zwischen Frau und Mann ist dann nicht mehr einengend, zum ständigen Überholen und Niederwerfen des anderen zwingend. Im Gegenteil: Er bleibt gerade seiner fruchtbaren Asymmetrie wegen wichtig. Asymmetrie ist ein Gesetz des Lebendigen, und übrigens auch des Schönen. Alles, was lebendig ist, was der Entwicklung und reizvollen Antwort auf Neues fähig ist, besteht nicht aus symmetrischen Kräften, die einander genau die Waage halten. Es setzt sich vielmehr zusammen aus ungleichen Energien mit unterschiedlichem Antrieb und getrennten Aufgaben. Allerdings sind die Kräfte auf ein einheitliches Ziel hin zu versammeln, sonst brechen die Strebungen aus dem Lebendig-Ganzen aus. So sind die Geschlechter weiterhin einander asymmetrisch zugeordnet – und das macht den Reiz der Beziehung aus. Zum Glück verschieden.

So erneuert sich die alte Genesis-Vision, dass sich in dem Einlassen auf das fremde Geschlecht eine göttliche Spannung, die Lebendigkeit des Andersseins und die Not(wendigkeit) asymmetrischer Gemeinschaft ausdrückt. Schöpferisches, erlaubtes Anderssein auf dem Boden gemeinsamer göttlicher Grundausstattung – das ist sein Vorschlag an alle Einebnungen, Dekonstruktionen, Neutralisierungen.