Ralph Weimann, Doktor der Theologie und Doktor, lehrt an der Päpstlichen Universität vom Heiligen Thomas von Aquin (Angelicum) und an der internationalen Dominikaneruniversität Domuni. Er ist Autor verschiedener Bücher. Zuletzt erschienen auf Englisch: Bioethical challenges at the end of life, New York 2022.

Künstliche Befruchtung, eine Option für die christliche Familie?

Gerade unter christlichen Ehepartnern besteht oft der dringende Wunsch, eigene Kinder zu haben, eine Familie zu gründen. Was aber, wenn dieser nicht erfüllt wird, wenn auch nach mehreren Jahren der Ehe sich kein Nachwuchs abzeichnet? Ist es dann legitim, auf andere, künstliche Methoden zurückzugreifen, ist dies aus moralischer Perspektive eine mögliche Option?

In einer derartigen Situation befinden sich nicht wenige Paare, und von der Kirche erhalten sie dabei in der Regel wenig orientierende Unterstützung. Katechese zu diesem Thema sind in der großen Mehrheit der Pfarreien eine Fehlanzeige. Im Gegenteil, von den Krankenkassen werden kinderlose Paare ermutigt, die künstliche Befruchtung in Anspruch zu nehmen, viele finanzielle Leistungen werden übernommen und selbst Bundesländer bieten Finanzhilfen an, so dass das Angebot verlockend attraktiv erscheint. Aber ist dies wirklich eine Option? Was geschieht eigentlich bei der künstlichen Befruchtung?

2021, mitten in der Pandemie, bat mich ein Mann, seine beiden Kinder, zweieiige Zwillinge, zu taufen. Im Taufgespräch stellte sich alsbald heraus, dass es sich um eine komplizierte Situation handelte. Der biologische Vater des Kindes hatte sich einer ukrainischen Leihmutter bedient, die in Polen die beiden Kinder zur Welt brachte. Der Vater der Kinder hatte endlich seinen Kinderwunsch erfüllt. Als er sich dann zum Taufgespräch präsentierte, brachte er – mit etwas Stolz – ein Empfehlungsschreiben seines Pfarrers mit, der ihm bescheinigte, ein „guter Christ“ zu sein, auch wenn er hin und wieder bei der Sonntagsmesse fehlte. Darüber war ich erstaunt und fragte ihn, ob er denn wisse, was eine Leihmutterschaft sei, ob er wisse, was bei einer In-vitro-Fertilisation passiere, wie viele Embryonen getötet werden und wie viele noch kryokonserviert (eingefroren) seien? Als er diese Fragen hörte, war er verblüfft, so etwas hatte er offensichtlich nicht erwartet. Er gestand alsbald, dass er noch nie von einem katholischen Priester diesbezüglich ethische Orientierung erhalten hatte, er habe nur aus einem Bauchgefühl heraus gehandelt. In diesem konkreten Fall gab er zu, dass noch etwa zehn Embryonen in Kühlräumen in Kiew eingefroren, diese aber vermutlich durch den Krieg „verloren“ gegangen waren.

Wenn man nach substantiellen Antworten auf diese Fragen sucht und verhindern möchte, in den Strom unter­schiedlicher Meinungen und Positionen zu geraten, dann gibt es sehr hilfreiche Dokumente, die das Lehramt der katholischen Kirche dazu herausgegeben hat. Angefangen bei der Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI.1 über die beiden Enzykliken Veritatis splendor und Evangelium vitaevon Johannes Paul II.2 Vor allem sind zwei Instruktionen der Kongregation für die Glaubenslehre hervorzuheben, in denen spezifisch bioethische Themen behandelt werden und die im Hinblick auf die künstliche Befruchtung wichtige ethisch-moralische Prinzipien darlegen. Dabei handelt es sich um die Instruktion Donum vitae, über „die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung,“[3]nicht zu verwechseln mit einem gleichlautenden Verein in Deutschland, der gänzlich andere Positionen vertritt. Und die Instruktion Dignitas personae über „einige Fragen der Bioethik.“[4]An dieser Stelle kann kein vollständiger Überblick über dieses Thema geboten werden, wohl aber sollen in Kürze jene Prinzipien dargelegt werden, die es erlauben, eine Antwort auf die eingangs gestellte Frage zu geben. Dabei ist zunächst zu klären, was oder wer der Embryo ist, bevor dann in einem zweiten Schritt ein Blick auf die In-vitro-Fertilisation, die Erzeugung von Embryonen im Reagenzglas geworfen werden kann.

1 Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae. Über die Weitergabe des Lebens, 25.7.1968, in: https://www.vatican.va/content/paul-vi/de/encyclicals/documents/hf_p-vi_enc_25071968_humanae-vitae.html [8.6.2022].

2 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis Splendor. Über einige grundlegende Fragen der kirchlichen Morallehre, in: VASt 111, Bonn 51995. Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Evangelium vitae. Über den Wert und die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens, in: VASt 120, Bonn 62009.

Foto: Dr. Ralph Weimann © Archiv