Orte der Seelsorge mit Familien

Wo kann all das geschehen, was wir eben eher grundsätzlich bedacht haben? Wo sind die Orte und Gelegenheiten, bei denen den Seelsorgern Familien begegnen? Kardinal Walter Kasper hat bei einem Konsistorium im Vorfeld der Familiensynode im Jahre 2014 seine Rede vor den Kardinälen mit dem Satz beendet: „Die Familie ist der Testfall der Pastoral und Ernstfall der neuen Evangelisierung.“3 Wenn das stimmt – und ich unterstütze diese Feststellung aus ganzem Herzen – dann deuten sich hier Herausforderungen an für das gesamte Feld der Pastoral und der seelsorglichen Arbeit, die m.E. zum Teil noch nicht entdeckt sind. Es gilt, diesen Ernstfall der Evangelisierung wirklich ernst zu nehmen und kreativ zu gestalten. Von den Möglichkeiten und Chancen, die sich da bieten, möchte ich jetzt sprechen.

Vorbereitung auf die Feier der Sakramente

Nichts ist bis heute so bedeutsam für eine christliche Familie, wie der Tag der Erstkommunion oder der Firmung der eigenen Kinder. Solche Feste werden auch heute in Zeiten mancher verloren gegangenen Glaubenspraxis im Kreis der Verwandtschaft gefeiert und im Leben jeder Pfarrei sind sie wichtige Termine im Laufe des Jahres.

Dennoch bleibt die Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente in vielen Fällen bei den direkten Empfängern (Kinder, Jugendlichen) stehen und blendet häufig das Umfeld – die Familie und das Elternhaus – aus.4 Hier bedarf es eines wirklichen Paradigmenwechsels, der schon länger angemahnt wird. Kinder und Jugendliche sind angewiesen auf den Glauben ihrer Eltern. Ohne das gelebte Beispiel ist die Katechese in der Sakramentenvorbereitung wie die Saat im Gleichnis, die auf steinigen Grund fällt, weil das Erdreich nicht tief genug war.5 Wir brauchen unbedingt Formen der Vorbereitung auf Erstkommunion und Firmung, die ausdrücklich Familienkatechese sind und Eltern oder auch Großeltern mit einbeziehen. Das Modell der so genannten „Tischmütter“ aus den siebziger Jahren (Väter kamen damals meist noch nicht vor) war in gewisser Hinsicht ein Schritt in die richtige Richtung. Dennoch blieb es bei einer Delegation auf wenige Gemeindemitglieder stehen und die meisten Familien konnten sich dispensieren. In einer Katechese mit den Familien werden die Eltern des Kindes oder Jugendlichen im eigentlichen Sinn zu Seelsorgern ihrer Kinder und lernen, selbst über den Glauben zu sprechen.

Vorbereitung auf die kirchliche Eheschließung – der Weg zum Eheversprechen

Insbesondere in der Vorbereitung auf die Gründung einer Familie und der kirchlichen Trauung ist es wichtig, sichtbar zu machen, „dass die christlichen Familien durch die Gnade des Ehesakramentes die hauptsächlichen Subjekte der Familienpastoral sind, vor allem, indem sie ‚das freudige Zeugnis der Eheleute und der Familien, der Hauskirchen‘ geben. […] Es geht darum erfahrbar zu machen, dass das Evangelium der Familie Freude ist, die das Herz und das gesamte Leben erfüllt.“6 Wenn das stimmt, dann ist es geradezu unverzichtbar, dass christliche Eheleute unmittelbar eingebunden werden in die Vorbereitung auf die Eheschließung. Der Zustand der Ehevorbereitung in Deutschland – das sage ich ganz unverhohlen – ist aus meiner Sicht kein Ruhmesblatt. Bis zum heutigen Tag ist es in vielen Bistümern immer noch möglich, dass ein Paar nach einem oder zwei Gesprächen mit dem Pfarrer oder einem pastoralen Mitarbeiter an den Traualtar tritt. Dazu kommt in manchen Fällen noch die Teilnahme an einem Ehevorbereitungsseminar – ein Wochenende, das von professionellen Mitarbeitern begleitet wird. Es sollte aus meiner Sicht in jeder größeren Pfarrei zumindest möglich sein, einige Ehepaare zu gewinnen, die ehrenamtlich in der Vorbereitung von jungen Paaren mitwirken und ihre Erfahrungen einbringen. Es muss zum guten Stil unserer Kirche im 21. Jahrhundert gehören, dass nicht mehr der Priester allein in der Ehevorbereitung tätig wird, sondern immer im Zusammenwirken mit denen, die aus der Gnade des Ehesakramentes leben, mit „missionarisch aktiven Familien“7 das heißt: die unmittelbare Zeugen des Evangeliums der Familie sind.

Papst Franziskus weist in Amoris laetitia in einem eigenen Abschnitt auf die Zeit der Vorbereitung auf die Ehe hin. Dort heißt es: „Es gibt verschiedene legitime Weisen, die unmittelbare Vorbereitung auf die Ehe zu gestalten, und jede Ortskirche soll unterscheiden, was für sie das Beste ist. […] Denn auch hier gilt: ‚Nicht das viele Wissen sättigt und befriedigt die Seele, sondern das innerliche Verspüren und Schmecken der Dinge.‘ Die Qualität zieht mehr an als die Quantität, und- zusammen mit einer erneuerten Verkündigung des Kerygmas – muss man jenen Inhalten den Vorrang geben, die in anziehender und herzlicher Form vermittelt, ihnen (sc. den Verlobten) helfen, sich… auf einen Weg für das ganze Leben zu verpflichten. Es handelt sich um eine Art ‚Initiation‘ in das Ehesakrament…um das Familienleben mit einer gewissen Standfestigkeit zu beginnen.“8

3 Zitiert in: G. Augustin/ Ingo Proft, Ehe und Familie – Wege zum Gelingen aus katholischer Perspektive, Freiburg 2014, 465. 4 Im Osten Deutschlands, wo ich Bischof bin, gibt es kaum eine rein katholische Familie. In den meisten Fällen ist einer der Ehepartner ungetauft oder evangelisch. Was das im Zusammenhang der Vorbereitung auf den Sakramentenempfang von Kindern bedeutet, ist nicht zu unterschätzen. 5 Vgl. Mt 13, 5. 6 Franziskus, Amoris laetitia, 200. 7 Ebd., 207. 8 Ebd., 207.