Zeitenwende

Zu schön, um wahr zu sein

Attraktive Menschen werden gesellschaftlich bevorzugt, schneller befördert, besser bezahlt. Das Geschäft mit der künstlichen Attraktivität brummt.
Schönheitschirurgie
Foto: Ralf Hirschberger (dpa-Zentralbild) | Der Glaube befähigt dazu, Schönheit wieder mit Einzigartigkeit zu verknüpfen, und sich nicht von oberflächlicher Attraktivität blenden zu lassen.

Der Druck auf Frauen, Schönheitseingriffe zumindest in Betracht zu ziehen, steigt immens. Immer mehr Frauen gehen zum Schönheitschirurgen. Unsere Gesellschaft bietet zusätzliche Anreize. Christen könnten hier eine Alternative aufzeigen.

Mehr Erfolg durch Schönheit

Schon seit langem zeigen Studien, dass konventionell attraktive Menschen gesellschaftlich bevorzugt werden. Sie sind im Job erfolgreicher und werden besser bezahlt. Der Effekt dieses „attractiveness bias“ gilt besonders für Frauen. Schön zu sein, hat Vorzüge. Und das gilt nicht nur für Menschen, deren Karriere mit ihrem Aussehen in besonderer Verbindung steht.

Lesen Sie auch:

Eine Studie der University of California Santa Cruz hat über mehrere Jahre die Karriere von 752 Wirtschaftswissenschaftlern verfolgt. Im Jahr 2021 legten sie die Ergebnisse vor, und konnten bestätigen: Attraktive Wirtschaftswissenschaftler haben beruflich im Schnitt mehr Erfolg. Sie wurden schneller eingestellt, schneller befördert und sogar ihre wissenschaftlichen Artikel wurden häufiger zitiert. „Im akademischen Bereich wollen wir natürlich glauben, dass allein die Qualität zählt“, so Galina Hale, die die Studie leitete. „Wenn ich nur Daten auswerte, sollte es dann wirklich zählen, wie ich aussehe?“

Der Körper als Baustelle

Diese Botschaft ist offenbar angekommen, denn immer mehr Frauen lassen Schönheitseingriffe durchführen. Der „attractiveness bias“ wird sicherlich durch die heute allgegenwärtigen Kameras verstärkt: Egal ob im Beruf in Zoom-Konferenzen oder im Privatleben auf den sozialen Medien, nie waren wir mehr mit unserem Aussehen konfrontiert. Und damit wird der eigene Leib besonders für Frauen zu einer Baustelle, in die es sich lohnt, zu investieren.

Natürlich ist das ein Kapitalismus-Problem. Die Trends wechseln in immer rasanterem Tempo. Nicht nur in der Kleidungs-, sondern auch in der Schönheits-OP-Branche. Aber Schönheitseingriffe sind nicht billig und verlangen nicht selten noch eine Nachsorge. Wer die Moden verfolgt, merkt außerdem schnell, dass viele Unsicherheiten erst dadurch entstehen, dass eine Lösung vermarktet wird. Die Politik sollte hier vor allem in den sozialen Medien genauer hinschauen.

Schönheits-OP sollte immer zweitbeste Option sein

Eigentlich ist es in Deutschland verboten, Schönheitseingriffe für Jugendliche zu bewerben. Auf den sozialen Medien empfehlen Influencer, die gezielt Jugendliche ansprechen, solche Eingriffe trotzdem weiter. Gleichzeitig fehlt auch eine klare gesellschaftliche Antwort. Man darf Menschen, die eine Schönheits-OP durchführen ließen, natürlich nicht stigmatisieren. Aber ein Schönheitseingriff sollte immer nur die zweitbeste Option sein.

Es ist nicht richtig, dass Frauen mit 25 Jahren schon darüber nachdenken, sich Nervengift in die Stirn zu spritzen. Genau das aber tun Prominente und Influencer, deren Gesichter und Lebensstil für viele ein Maßstab ist. Und noch einmal: Die Zahlen beweisen, dass allzu viele sich an diesen Standards orientieren.

Gegen den Mahlstrom künstlicher Selbstoptimierung

Immer mehr ist der gesellschaftliche Ton nicht: Du bist schön, wie du bist, sondern: Was ist deine Ausrede dafür, noch hässlich zu sein? Der „attractiveness bias“ scheint auf die Evolution zurückzugehen. Damit wäre es einfach menschlich, dass wir attraktiven Menschen mehr vertrauen, sie für intelligenter und produktiver halten. Aber es stimmt eben nicht immer.

Christen haben einen besonderen Ruf, hinter den Vorhang der irdischen Welt zu schauen. Der Glaube befähigt dazu, Schönheit wieder mit Einzigartigkeit zu verknüpfen, und sich nicht von oberflächlicher Attraktivität blenden zu lassen – ein Beitrag gegen den Mahlstrom der künstlichen Selbstoptimierung.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Sally-Jo Durney Zeitenwende

Weitere Artikel

Die Welt ist kleiner geworden. Zumindest wenn es um die Verbreitung von kommunikativen Inhalten geht.
15.02.2023, 10 Uhr

Kirche

Was auf „synodalen Wegen“ derzeit geschieht, ist mehr als die Wiederholung altbekannter Forderungen.
21.03.2023, 19 Uhr
Martin Grichting