„Wir müssen uns zuhören“

Am Katholikentag wird zum ersten Mal ein Vertreter der AfD teilnehmen. Ein Interview mit dem kirchenpolitischen Sprecher der AfD, Volker Münz. Von Sebastian Sasse
36. Evangelischer Kirchentag
Foto: dpa | Großes Interesse: Als beim Evangelischen Kirchentag im letzten Jahr auch die AfD mit einer Vertreterin auf dem Podium saß, waren alle Bänke gefüllt. Auch hier war die Einladung umstritten.

Herr Münz, wie bewerten Sie die Einladung zum Katholikentag?

Das ist für uns ein positives Signal. Es besteht die Hoffnung, dass sich das Verhältnis zwischen der Kirche und uns normalisiert und sich dem Verhältnis zu anderen Fraktionen angleicht. Ich sehe mich als Brückenbauer und bin der Ansicht, dass vor allem Christen miteinander reden können sollten. Das setzt allerdings Gesprächsbereitschaft auf beiden Seiten voraus und die Fähigkeit, einander zuzuhören. Das hat mich auch an den Debatten vor dem letzten Katholikentag und dem Evangelischen Kirchentag gestört. Es ging alleine um die Frage, ob wir mit Vertretern teilnehmen können oder nicht. Die eigentlichen inhaltlichen Probleme etwa in der Flüchtlingsfrage wurden überhaupt nicht diskutiert. Genau darüber würde ich aber gerne mit anderen Christen sprechen. Mir ist nämlich bewusst, dass man als Christ in unterschiedlicher Weise darüber denken kann. Aus der Bibel können wir nicht unmittelbar ableiten, wie viele Flüchtlinge wir in Deutschland aufnehmen sollen.

Sie werden an einer Podiumsveranstaltung mit dem Thema „Wie hältst Du es mit der Religion“ teilnehmen. In welcher Beziehung stehen für Sie Glaube und Politik?

Es gibt bestimmte Fragen, in denen es meiner Ansicht nach für Christen ziemlich klar ist, welche Position sie vertreten müssen. Etwa im Lebensschutz. Auch dass eine Ehe aus der Verbindung von Mann und Frau besteht, ist aus meiner Sicht biblisch eindeutig geklärt. Es gibt aber auch viele weltliche Fragen, wo das nicht so ist, sondern wir Christen gemeinsam um die Wahrheit ringen müssen. Genau das ist in einer Demokratie möglich. Deswegen ist mir auch die Gesprächskultur so wichtig. Für mich persönlich ist aber auch mein Engagement in der AfD durch meine christliche Überzeugung motiviert. Ich möchte, dass unser Land christlich geprägt bleibt, denn das Christentum ist eine wesentliche Basis unserer Kultur und unseres Rechtsstaates. Aus meiner Perspektive ist die Vorstellung von einer multikulturellen Gesellschaft eine Utopie. Eine multikulturelle Gesellschaft, d.h. ein Vielvölkerstaat, funktioniert in keinem Land und wird auch bei uns nicht funktionieren.

Sie waren einmal Mitglied der CDU und sind dann dort ausgetreten, weil Ihnen die christliche Prägung dort nicht mehr stark genug war. Es gibt also offensichtlich für Sie Punkte, an denen man eine Partei verlassen muss. Welche roten Linien darf aus Ihrer Sicht die AfD nicht überschreiten?

Ein solcher Punkt wäre sicherlich Antisemitismus. Ein anderer ist Rassismus. Ich verstehe mich als konservativ. Ich bin nicht radikal, sondern setze auf Entwicklung. Für mich spielt auch die ethnische Herkunft eines Menschen keine Rolle. Was mir aber wichtig ist, das ist die christlich-abendländische Leitkultur, die von allen, gleich welcher Herkunft sie sind, zu akzeptieren ist. Wenn ich die Mitglieder bei mir vor Ort sehe, dann sind das Bürger, darunter viele ehemalige CDU-Mitglieder, die auch solche Positionen vertreten und sich Sorgen machen. Auch die sind nicht radikal. Und ihnen fühle ich mich verpflichtet.

Und wie bewerten Sie dann die Aussagen von Björn Höcke etwa über Afrikaner und zum Holocaust-Mahnmal? Oder jüngst von André Poggenburg am Politischen Aschermittwoch? Sind da nicht längst Grenzen zum Radikalismus überschritten worden? Die ehemalige Vorsitzende der „Christen in der AfD“, Anette Schultner, ist wegen solchen Entwicklungen vor kurzem aus der Partei ausgetreten?

Ich missbillige das, was Höcke gesagt hat. Aber trotzdem ist aus meiner Sicht Höcke kein Antisemit oder Rassist. Auch Wolfgang Gedeon, dessen Position ich ebenfalls nicht teile, ist aus meiner Sicht ein Israel-Kritiker, aber kein Antisemit. Mit Anette Schultner war ich eng verbunden. Ich teile Ihre Einschätzung nicht und glaube, dass ihr Austritt andere Gründe hatte. Sie hat damals in der NRW-Landtagsfraktion unter Marcus Pretzell gearbeitet und unterstützt jetzt ihn und Frauke Petry.

Bei Abstimmungen zu ethischen Fragestellungen bildeten sich im Bundestag oft Gruppen über Fraktionsgrenzen hinweg. Würden Sie es auch so halten, etwa wenn über die Aufhebung des Werbeverbotes für Abtreibungen abgestimmt wird?

Wir sind für das freie Mandat. Darüber hinaus vertreten wir im Lebensschutz eine eindeutige Position. Meine Fraktion wird gegen die Aufhebung des Werbeverbotes stimmen.

 

Hintergrund

Beim letzten Katholikentag in Leipzig war die AfD, flankiert von einer umfangreichen Debatte, nicht eingeladen worden. Beim Evangelischen Kirchentag konnte eine Vertreterin an einem Podium teilnehmen. Nun wird auch beim Katholikentag in Münster der kirchenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Volker Münz, bei einer Veranstaltung sprechen. ZdK-Präsident Thomas Sternberg erklärte dazu, bei Katholikentagen seien nie Parteien, sondern Personen eingeladen worden. So sei es auch in diesem Fall, wo zu dieser Veranstaltung die kirchenpolitischen Sprecher aller Fraktionen eingeladen worden seien. Volker Münz ist evangelisch und engagiert sich in der Kirche: Er ist Mitglied der Bezirkssynode und des evangelischen Gemeinderates in Uhingen.

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