Wenn sich ein ehemaliger Verteidigungsminister der Bundesrepublik, Rudolf Scharping (SPD), mit einer Beratungsgesellschaft für deutsch-chinesische Wirtschaftsbeziehungen ein Zubrot verdienen möchte, würde man nicht nur hoffen, sondern davon ausgehen, dass die berechtigen Interessen der deutschen Wirtschaft im Vordergrund stehen.
Dass die Volksrepublik seit Xi Jinping an die Macht gekommen ist, mit harten Bandagen kämpft und gleichzeitig die freiheitliche Werte-Allianz, zu der auch Deutschland gehört, zu ihrem Systemfeind erklärt hat, konnte Herr Scharping vielleicht nicht wissen, als er mit seinem Beratungsprojekt begonnen hat. Die Zeiten, in denen der Handel frei florierte und Sicherheitsbedenken hinten angestellt werden konnten, sind längst vorbei.
Kritik an Rudolf Scharpings Gästeliste
Die Kritik an der Gästeliste einer Konferenz von Herrn Scharpings Beratungsunternehmen zeigt dies. Personen, die für staatliche Geheimdienststellen arbeiten, sollten angesichts der geopolitschen Großwetterlage nicht auf der Liste stehen. Dabei geht es nicht so sehr darum, dass diese nicht auch auf andere Weise an sensible Daten gelangen könnten. Es muss vielmehr der Eindruck unterbunden werden, dass Deutschland sich besten Wissens aus dem Ausland dominieren lässt.
Am Verhalten von Volkswagen und BASF sieht man, wohin eine Maximalunterwerfung unter eine Diktatur führt: Beide Konzerne haben sich einer Zukunftsperspektive außerhalb Chinas beraubt. Nun müssen sie Xi den Steigbügel halten und Zwangsarbeit und kulturellen Genozid in ihren und um ihre Fabriken herum in der Provinz Xinjiang hinnehmen. Unternehmen in der Volksrepublik agieren nicht frei, sie sind der Partei und ihren Zielen untergeordnet. Xi pocht auf „Sicherheit“ und meint damit maximale Kontrolle und Zwang. Das müssen Konferenzveranstalter berücksichtigen, wenn sie der deutschen Wirtschaft auf lange Sicht keinen Schaden zufügen möchten.
Der Autor ist Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs in New York.
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