Europa solle sich von Wladimir Putins Machtgehabe nicht einschüchtern lassen, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am schicksalsträchtigen Dienstag vor den Parlamentariern in Straßburg. Das dort vertretene Europa rief er auf, standhaft in der Unterstützung der Ukraine zu bleiben "solange wie das nötig ist". Die Menschen dort zahlten derzeit mit ihrem Leben für den Wahn ihres mächtigen Nachbarstaats. Und damit die Optik stimmt, bekam Wolodymyr Selenskyj am gleichen Tag von Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen vor laufenden Kameras ein liebevolles Lächeln geschenkt.
1,6 Billionen Dollar hat der Krieg gekostet
Ebenfalls am Dienstag schwor Wladimir Putin bei der abgespeckten Siegesparade in Moskau seine Russen darauf ein, in dem Krieg, den der Westen zur Zerstörung Russlands führe, durchzuhalten bis zum Sieg wie damals vor 78 Jahren. So verrückt das nach dem Überfall Putins auf die Ukraine auch klingt: Dieses Narrativ dient dem Kreml dazu, das Land weiter auf Kriegswirtschaft umzustellen. Und wie lange wird das Abschlachten noch dauern? Vier Jahre? Acht Jahre? Man weiß es nicht. Nur zeigt der Blick auf den Frontverlauf, dass sich in den vergangenen sechs Monaten nichts bewegt hat.
Aber man weiß, dass der Krieg die Weltwirtschaft laut "Institut der deutschen Wirtschaft" bisher 1,6 Billionen Dollar gekostet hat. Und dass der Westen, wie Kanzler Scholz sagte, die Ukraine weiter unterstützen und wehrfähig halten wird, damit Deutsche, Österreicher, Schweizer und so weiter ihr kleines Glück samt Vorgarten genießen können, während man in der Ukraine täglich für Recht und Freiheit stirbt. Auch so geht Arbeitsteilung.
Doch immer mehr Menschen im Westen gefällt diese Art von Arbeitsteilung nicht - beim gemütlichen Grillen mit Freunden im Fernsehen täglich die schießenden Panzer und Soldaten an der ukrainischen Front zu sehen. Wo bleibt die Diplomatie, nach der Papst Franziskus von Anfang an rief? Es gibt ja nur zwei Supermächte, die mit der hohen Kunst der Außenpolitik ein Ende des Kriegs einläuten könnten: China und die USA. Und so stellt sich die Frage: Können die nicht oder wollen die nicht?
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.